Impfen Verantwortungs­­­voll entscheiden

Bericht über die Referate der Ärzte Steffen Rabe und Georg Soldner an der Online-Veranstaltung Anfang Dezember zu den neuen Covid-Impfstoffen.


Der Zeitpunkt hätte nicht passender sein können: Am gleichen Tag, als in Großbritannien der Impfstoff gegen Corona von Biontech/Pfizer zugelassen wurde, fand online der Vortrag ‹Impfen: Verantwortungsvoll entscheiden› statt, veranstaltet vom Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung und von Gesundheit aktiv. Dabei kamen die drei Kinder- und Jugendärzte Martin Hirte, Autor von ‹Impfen kurz & praktisch›, Steffen Rabe, Autor der Website www.impf-info.de, und Georg Soldner, stellvertretender Leiter der Medizinischen Sektion, auf die vor der Zulassung stehenden Coronaimpfstoffe zu sprechen.1

In der Online-Veranstaltung skizziert Steffen Rabe zuerst, was geschieht, wenn ein Antigen – zum Beispiel ein Virus oder ein Impfstoff aus abgeschwächten oder abgetöteten Viren – in den Körper eindringt oder geimpft wird und eine Immunreaktion hervorruft. Dabei werden spezifische Antikörper, Proteine, gebildet. Proteine sind die Grundlage aller Funktionen und Strukturen des Organismus und ihr Bauplan liegt in der menschlichen Erbinformation, der DNA. Diese wird mittels der mRNA vom Zellkern in den Zellraum übertragen, wo die Eiweißbildung erfolgt. «Diese Reihenfolge, dass aus der DNA die RNA gebildet wird, die zur Synthese von Proteinen führt, gilt als Dogma in der Genetik», so Rabe. Es gibt aber Enzyme wie die Reverse Transkriptase, etwa beim HI-Virus, durch die Informationen von der RNA zurück auf die DNA geschrieben werden können. Bei der Suche nach HI-Impfstoffen ist man auch bei menschlichen Zellen auf diese Reverse Transkriptase gestoßen, erklärt Rabe. Dann beschreibt er die Wirkungsweise der neuen mRNA-Impfstoffe. Es werden nicht mehr abgeschwächte oder abgetötete Viren geimpft, sondern nur noch deren (mRNA-)Bauplan. Der Körper übernimmt dann die Produktion des Antigens – des eigentlich wirksamen Impfstoffes – und löst selbst die eigene Immunantwort aus, auf den zwei bekannten Wegen: durch Antikörper im Blut (‹humorale› und im Labor messbare Immunität) und durch Aktivierung von sogenannten Killerzellen im Gewebe (‹zelluläre› Immunität – bei Corona ist beides notwendig). Die Herstellung eines solchen Impfstoffs ist gemäß Rabe einfacher, schneller, günstiger und in größeren Mengen möglich als bei der klassischen Variante, denn man muss keine Zellkulturen mehr bilden, sondern nur RNA-Stränge synthetisieren. Im Bild: Es ist einfacher, eine Hausskizze zu zeichnen, als ein Haus zu bauen. Weil man auch keine aktiven Krankheitserreger spritzt, wie beispielsweise bei der Masernimpfung, kann der Impfstoff keine Infektion auslösen. Die RNA ist außerhalb der Zellen von kurzer Lebensdauer, was sie in den Augen der Befürworter ungefährlich macht. Das sind, so Rabe, die faszinierenden Vorteile dieser Impfung.

Dann kommt er auf die Schattenwürfe des Impfstoffs zu sprechen und erinnert daran, dass man mit gutem Grund nun 30 Jahre an diesen Impfstoffen forscht. Dennoch liegt bisher keine reguläre Zulassung eines solchen Impfstoffs vor. Zu den Problemen gehört, dass die Instabilität der RNA verlangt, die Stränge gut zu ‹verpacken›. Man verwendet dafür Lipid-Nanopartikel. Noch ist unklar, welche Reaktionen diese Partikel im Organismus auslösen können. Bereits die Verpackung bedeutet also ein Risiko. Weiterhin zeigen die bisherigen Tests, dass sich die Ergebnisse aus Tierversuchen schlechter auf den Menschen übertragen lassen, als dies bei klassischen Impfstoffen möglich ist. Wie Rabe betont, gibt es zu denken, dass früher entwickelte mRNA-Impfstoffe, «schwere bis schwerste Nebenwirkungen erzeugt haben», wie zuletzt 2017 der von Curevac entwickelte Impfstoff gegen Tollwut. Autoimmunreaktionen, Blutgerinnungsstörungen etc. haben die Zulassung verhindert. Was für mRNA-Impfstoffe spricht, ist, dass sie sich auffrischen lassen.

Das gilt nicht für sogenannte Vektorimpfstoffe, wie sie zum Beispiel Astra-Zeneca mit der Oxford-Universität entwickelt. Der Bauplan für das Antigen wird hier nicht kompliziert in Lipid-Nanopartikel verpackt, sondern in ein für den Menschen als unschädlich geltendes, gentechnisch verändertes Trägervirus, den «Virusvektor», eingebaut und verimpft. Im Geimpften vollzieht sich dann derselbe Prozess wie beim mRNA-Impfstoff. Es baut sich parallel aber auch eine Immunität gegen das Trägervirus auf. Deshalb kann hier die Impfung nicht aufgefrischt werden, weil dann der Organismus gegen dieses Trägervirus bereits reagiert. Im Bild: Die Fähre würde vom Organismus abgeschossen, bevor der Passagier an Land gehen kann. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich dieser Virusträger genetisch verändert und dann krankmachend wirkt. Viren, die dem Organismus bekannt sind, als Vektor zu verwenden, ist nicht möglich, weil dann eventuell schon eine Immunität besteht. Es müssen Viren sein, die dem Organismus unbekannt sind, mit naturgemäß unbekannten Risiken. Bisher gibt es hier nur einen notfallmäßig zugelassenen Vektorimpfstoff gegen Ebola. Dass die verimpfte mRNA auf die DNA zurückgeschrieben wird, ist hier ebenfalls denkbar. Auch wenn dieses Risiko als gering und beim mRNA-Impfstoff als noch kleiner eingeschätzt wird, ist es sicher nicht null, so Steffen Rabe.

Dann fährt Georg Soldner fort: Ziel einer Covid-19-Impfung ist es ja, schwere Verläufe und Todesfälle und die Möglichkeit, dass Geimpfte das Virus weitergeben, zu reduzieren oder ganz zu verhindern. Darauf richten sich aber nicht die aktuellen Impfstudien, sondern es handelt sich hier nur um die Reduktion von ‹Covid-Fällen›, also Menschen mit einem positiven Abstrich und Symptomen wie beispielsweise Husten. Das ist auch kaum anders möglich, weil selbst bei Studien mit 30 000 Teilnehmenden wie beim Moderna-Impfstoff oder mit 43 000 wie beim Biontech-Impfstoff nur wenige erkranken und sehr wenige schwer erkranken. Es kam hier nur zu 95 bzw. 170 ‹Covid-Fällen›. Von den 170 Fällen waren 90 Prozent in der Placebo-Gruppe und 10 Prozent in der geimpften Gruppe. Unter den mit ‹Verum› Geimpften gab es in der Tat nur einen schwer erkrankten Patienten, in der Placebogruppe neun, aber das sind noch sehr geringe Zahlen. Noch wissen wir nicht sicher, in welchem Maß die Impfstoffe in der Lage sind, die Zahl der Todesfälle zu reduzieren. Der kurze Testzeitraum bedeutet natürlich auch, dass wir nicht wissen, wie sich die Geimpften in 6 oder 12 Monaten verhalten. Außerdem sind keine Kinder geimpft worden. Das ist auch gut so, weil jüngere Menschen ja kaum Symptome zeigen, sodass es falsch wäre, sie mit einem in seiner langfristigen Wirkung unbekannten Impfstoff zu belasten. Auch Schwangere sind nicht geimpft worden, wie auch wenige aus der Hochrisikogruppe, zum Beispiel ältere Menschen mit Diabetes und eventuell Übergewicht. Die heute schon verabreichten chinesischen Impfstoffe, die vorwiegend konventionelle Technologien nutzen, zeigen Anzeichen, dass alte Menschen schwächer darauf ansprechen. Das muss allerdings nicht für den mRNA-Impfstoff gelten, hier gibt es Hinweise, dass er auch im Alter wirksam ist.

Noch einmal schildert Georg Soldner die zwei Seiten: Wir verändern mit dem Impfstoff die Eiweißbildung im Organismus. Das erzeugt «sehr elegant» einen Impfeffekt. Wir erfahren zugleich von akuten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Muskelschmerzen, Erschöpfung, Fieber. Eine Kommission bewertet dabei die aufgetretenen schweren Nebenwirkungen nach Wahrscheinlichkeit und Zufall. Auch hier gibt es kein gesichertes Wissen, sondern Einschätzungen. Wir wissen also noch sehr wenig. Hinzu kommt, so Soldner, dass unklar ist, ob man tatsächlich immun ist, wenn Antikörper gemessen werden, und umgekehrt, ob man nicht immun ist, wenn man keine Antikörper findet, weil sich ein Großteil der Immunität in der schwerer messbaren zellulären Abwehr versteckt. Soldner erinnert daran, dass viele Kinder und Jugendliche eine natürliche Immunität zeigen, weil sie durch Kontakt mit anderen Viren, die Covid-verwandte Eigenschaften aufweisen, eine Kreuzimmunität gewonnen haben. Dass es schwierig ist, schwere Nebenwirkungen von Impfungen zu erfassen, illustriert Soldner am Grippe-Impfstoff. Wir wissen, dass jede 890 000ste Person durch den Grippe-Impfstoff eine aufsteigende Lähmung erfährt (Guillain-Barré-Syndrom). In den meisten Fällen ist diese glücklicherweise vorübergehend, sie kann aber auch bleibend sein. Solch eine Zahl wird naturgemäß erst nach Millionen Impfungen und längerer Beobachtung ermittelt. Bei der weniger schwer verlaufenden Schweinegrippe sind ebenfalls viele Millionen Menschen geimpft worden und es gibt nun Hunderte von Geimpften, die an einer Narkolepsie mit bleibender Behinderung zu leben haben. So selten diese autoimmunologische Nervenentzündung sein mag, für die Betroffenen ist es eine furchtbare Tragödie. Das schildert Georg Soldner, um zu betonen, dass man sich bei Kindern und Jugendlichen eine Corona-Impfung sehr gewissenhaft überlegen sollte. Die Kinder erkranken ja kaum und würden sich deshalb nur für andere impfen.

Wer haftet hier im Falle eines Impf­schadens­prozesses – wohl der Arzt? In drei Minuten kann er nicht erfassen, welche Probleme ein ihm unbekannter Patient gerade hat.

Dann kommt er auf die Impfzentren zu sprechen. Wegen der Tieftemperaturhandhabung des Biontech-Impfstoffs ist die Impfung in Arztpraxen nicht möglich. Soldner referiert vom Planungsstand in Niedersachsen. Demnach sind dort aktuell drei Minuten Beratung ohne körperliche Untersuchung pro Patient vorgesehen. In einem solchen Setting darf nichts passieren, denn bei jedem möglichen Impfschadensverdacht stellt sich die Frage, ob der Arzt den Patienten ausreichend informiert und ihn vor der Impfung körperlich untersucht hat, um Gegenanzeigen auszuschließen. Wer haftet hier im Falle eines Impfschadensprozesses – wohl der Arzt? In drei Minuten kann er nicht erfassen, welche Probleme, welche Kontraindikationen, wie zum Beispiel aktuelle Erkrankungen, ein ihm zuvor unbekannter Patient gerade hat. Das ist, so fasst es Soldner zusammen, eine «Militarisierung des Impfens», die der Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung kritisiert. «Leitend für die geplante Impfkampagne muss die aufgeklärte freiwillige Zustimmung der impfwilligen Bürger und Bürgerinnen sein, sagten die deutsche Akademie der Naturforscher ‹Leopoldina›, der deutsche Ethikrat und die ständige Impfkommission.» Das setzt ein anderes Zeitmanagement voraus. Die Impfung soll freiwillig sein. Doch wie sieht es für systemrelevante Berufe wie medizinisches Personal aus? Hier fallen in Fernsehinterviews Äußerungen wie von Alena Buyx, der Vorsitzenden des Ethikrates, die sagte, wer sich aus dieser Berufsgruppe nicht impfen lassen wolle, habe vermutlich den falschen Arbeitsplatz gewählt. Es gibt aber Erhebungen, dass sich derzeit keine 50 Prozent der im klinischen Bereich Tätigen impfen lassen wollen. Die Menschen, die die Krankheit gut kennen, sind demnach noch ziemlich zurückhaltend gegenüber der Impfung. Wenn nun im medizinischen Bereich, aber auch in anderen Betrieben Ungeimpften mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht wird, dann droht eine Diskriminierung von Menschen, die von ihren Grundrechten Gebrauch machen. Wenn wir Freiheit wollen, dann müssen wir die Freiheit des anders Denkenden wollen. Wenn wir Grundrechte wollen, müssen sie für alle gelten. Das Grundgesetz ist, so Soldner, nicht für schönes Wetter geschrieben worden.

Georg Soldner schließt mit der Aufforderung, sich hier ein eigenständiges Urteil zu bilden und angesichts der wöchentlich neuen Informationen und Erkenntnisse zum Impfstoff und der Covid-Erkrankung in diesem Urteil beweglich zu bleiben. «Es wird einen Teil der Bevölkerung geben, der sich impfen lassen will und wird, und das ist in Ordnung, und es gibt einen anderen Teil, der vorerst abwarten wird, und das ist auch in Ordnung. Auf diese Weise werden wir bald mehr und umfassender über den Impfstoff wissen.» Laut Soldner kommt es darauf an, sich gut zu entscheiden, sich im Klaren zu werden über das Ob und Wann der Impfung und das gelingt am besten, wenn man informiert ist.


Foto: Kristine Wook, Unsplash.

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Footnotes

  1. Vortrag als DVD zu beziehen bei Gesundheit Aktiv
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