exc-5ee28f7b8982cb65ef70b852

Das Tier in uns, unter uns, über uns

Das Tier ist unser Bruder, unsere Schwester, es fragt nach einer neuen Beheimatung, in die wir es führen, und es zeigt uns in seiner Vollkommenheit ein Vorbild. Diese dreifache Beziehung in ihrer Widersprüchlichkeit zu ergreifen, gibt uns menschliche Würde.


Das Coronavirus scheint von Tieren zu uns Menschen gekommen zu sein. Es gibt viele Indizien für einen solchen ‹Sprung› vom Tier auf den Menschen. Damit wären die Tiere kausal-biologisch die Ursache für die Pandemie mit Covid-19. Seit dieser Gedanke in der Öffentlichkeit ist, zeigt sich eine Verunsicherung gegenüber den Tieren. Dabei ist wenig die Rede davon, dass die Tiere gefährlich seien und wir uns schützen sollten, sondern die gegenteilige Haltung ist zu spüren: Wir haben den Tieren Leid zugefügt, jetzt wehren sie sich. Diese Empfindung nähren verschiedene Quellen: So gehört es zum kritischen Zeitgeist, die ausbeuterische Zivilisation mit ihrer Massentierhaltung infrage zu stellen. Die vegane Kultur ist ein Ausdruck davon. Eine zweite Quelle war der Artikel von Sonia Shah in ‹Le Monde diplomatique› im März 2020. Sie macht darin auf die Naturverdrängung als Ursache von Virenausbrüchen aufmerksam. Als eine dritte Quelle findet man bei Rudolf Steiner, dass er die Ursache für sich epidemisch ausbreitende Ansteckungskrankheiten geistig im menschenverursachten Leid der Tiere sieht (Vortrag vom 17.4.1912, GA 143). Mit diesem Artikel möchte ich eine Orientierungshilfe geben, wie man aus der Verunsicherung gegenüber den Tieren wieder in ein sicheres Verhältnis finden kann. Die Grundlage dieser Ausführungen ist meine über 30-jährige Praxis als landwirtschaftlicher Tierhalter und die Beschäftigung mit dem Thema in der Sektion für Landwirtschaft.

Massenhaltung von Tieren – und von Viren und Bakterien

Die Massentierhaltung ist eine Tragödie in jeder Hinsicht, und ich sehe keine Möglichkeit, sie irgendwie zu verteidigen. Wie konnte es so weit kommen? Die Industrialisierung der Tierhaltung ist die Folge unseres abstrakten Denkens, das Tiere als Dinge begreift. Die moderne Wissenschaft hat mit Descartes postuliert, dass das Tier eine Maschine ist, und mit Darwin, dass die Tiere sich im Kampf ums Überleben entwickeln. Verbindet man beide Paradigmen, folgt daraus: Tiere sind Überlebensmaschinen. Solche Maschinen kann man in Serie schalten – kein Problem. Die erzeugten Massenprodukte wie Fleisch für die Ernährung oder Pelze für die Kleidung oder Medikamente durch Tierversuche bringen über tiefe Preise die von allen gewünschte Sozialisierung des Wohlstandes. Im Detail ist diese Industrie dabei noch viel technischer, als man es sich als Konsument ausmalt, und jeder erschrickt, der sich da eingehender informiert. Die nackte, kalte Intelligenz, die hier greift – und die uns modernen Menschen eben eigen ist –, provoziert Hilfsreaktionen des Lebens, die in gewisser Weise dieselbe Sprache sprechen: Viren und Bakterien scheren aus dem Lebensverband aus, vermehren sich massenhaft und werden so zu pandemischen Krankheiten für die Tiere selbst oder für den Menschen. Spin-offs von Viren aus der Tierhaltungsindustrie gehören zur Logik des Systems.

Der Schock über die Tierindustrie führt zu Extremreaktionen, eine davon ist der moderne Veganismus. Er postuliert einen völligen Verzicht für alle tierischen Produkte. Ein veganer Glaubenssatz ist: «Tierhaltung ist Versklavung der Tiere.» Ein anderes Credo lautet: «Für mich soll kein Blut fließen.» Es kommt zur völligen Abkehr vom Tier. Jedwede Tierhaltung gilt demzufolge per se als verwerflich und unmoralisch. Man kann das als moralisch konsequente Haltung sehen oder als Fanatismus. Auch diese Haltung scheint mir das Tier indirekt zu verdinglichen, indem sie die Beziehung prinzipiell aufkündigt. Das kann man mit einem Ding machen, aber gegenüber einem beseelten Wesen scheint es nicht adäquat. Auch hier wird das Tier nicht als die Verleiblichung eines Seelischen gesehen. Der Veganismus führt in seiner Konsequenz zu einer seelischen Verödung der Welt durch Verneinung der Leibbildung der Tiere, was sie ausschließt aus der menschlichen Evolutions- und Kulturgemeinschaft mit dem Menschen.

Das Verhältnis zum Tier scheint ein Prüfstein zu sein für die Befindlichkeit der eigenen Menschenwürde. Die Selbstbesinnung zeigt dabei, dass uns die Tiererlebnisse hauptsächlich über das Gefühl ansprechen. Es sind tiefe und starke Gefühle, die sich meiner bemächtigen bei der Ruhe einer Kuh, der Kraft eines Pferdes. Ein Kind wird ganz Hase vis-à-vis des Nagetieres, es schlüpft gefühlsmäßig in das Tier hinein. Die Heftigkeit dieser Gefühle bezeugt, dass sie echt sind. Meine Seele ist ausgefüllt davon – und diesem Gefühl so auch ausgeliefert. Wie aber können die Gefühle geläutert und geweitet werden, damit sie nicht ‹allein› die Erschütterungen in der Empfindungsseele ausdrücken, sondern tiefe menschliche Herzenskräfte ausdrücken? Wie entwickle und schule ich meine Gefühle, dass die Tiere in meine Menschlichkeit aufgenommen werden und nicht ich in die Tierheit heruntergezogen werde? Lebendiges Denken und Gedanken, die das Wesentliche zu fassen versuchen, geben Orientierung. Handlungen, die versuchen, der Sache dienend zu sein, bringen Erdung. Diese Stützen braucht das Gefühl. Es wird dadurch nicht verdrängt, sondern entwickelt sich zu der Qualität von «kosmischem Weltengefühl». Diesen Ausdruck wählt Rudolf Steiner in seinem Vortrag vom 17. Mai 1910, GA 120.

Erkenntnis des Tierwesens

Das Wesen der Tiere zu erkennen, bedeutet, im Denken vom so vertrauten Toten über das Lebendige zum Seelischen aufzusteigen. Dort findet man einen differenzierten Ausdruck in der Morphologie, der Physiologie und dem Verhalten der einzelnen Tierarten. Jede Tierart ist hoch spezialisiert, indem sich die seelisch bildende Kraft vorzugsweise in ein Organ oder Organsystem ergießt. «Das Tier wird von seinen Organen belehrt», schreibt Goethe. In einem frühen Stadium der Embryonalentwicklung unterscheiden sich die höheren Tiere sehr wenig, die Organe sind wenig spezifiziert.
Dann, mit der Geburt und über die Jugendentwicklung bis zum ausgewachsenen Tier, wird das für die Tierart jeweils besonders wichtige Organsystem in den Vordergrund geschoben und ausgebildet. Als Kuhhalter kenne ich zum Beispiel diese Entwicklungsdynamik für Wiederkäuer inklusive der Hornbildung gut. Damit haben die Verdauungsorgane bei den Wiederkäuern eine hohe ‹morphologische Wertigkeit›. Dieser Fachausdruck von Adolf Portmann scheint mir gut zu erfassen, um was es geht: Organe, die eine hohe morphologische Wertigkeit haben, sind jene Organe, die besonders spezialisiert sind gegenüber der embryonalen Anlage. Das Wesen eines Tieres formt sich seine Organe, sie sind Ausdruck seines Wesens, und ich kann durch das anatomische, physiologische und auch das ethologische Studium der Organe zu einem Wesensverständnis dieser spezifischen Tierart kommen.

Tier und Mensch gehören zusammen. Die Spezialisierung ist ein Opfer der Tiere, damit der Mensch ein Werdender bleiben kann. «Zähme mich!», spricht der Fuchs zum kleinen Prinzen, das Tier erbittet vom Menschen, in seine Menschlichkeit aufgenommen und mitgenommen zu werden.

Das Tier ist genial und bringt es zu höchsten Erscheinungen und Leistungen auf seinem Gebiet. Es ist dadurch gleichzeitig gefangen und beschränkt in dieser Spezialisierung. Anders der Mensch: Er ist ein Universalist. Das Seelische und sein leiblicher, funktionaler und sozialer Ausdruck stehen im Dienste von einer individuell anwesenden Geistigkeit, dem Ich. In der universellen Konstitution des Menschen – dem aufrechten Gang mit den freien Händen, der Sprachfähigkeit und dem bewussten Verhältnis zu sich und der Welt durch das Denken – liegt die Grundlage für das Menschlich-Menschheitliche. Mit anderen Worten, der Mensch ist nicht, sondern er wird Mensch, biografisch, kulturgeschichtlich, evolutiv. Die Tiere haben diese Möglichkeit nicht, jede Tierart ist ein evolutiver Höhepunkt und damit ein Endpunkt. Aber Tier und Mensch gehören zusammen. Die Spezialisierung ist ein Opfer der Tiere, damit der Mensch ein Werdender bleiben kann. Das bedeutet keine Abkehr von den Tieren, sondern ein Aufnehmen der Tiere in seinen Kulturauftrag. «Zähme mich!», spricht der Fuchs zum kleinen Prinzen, das Tier erbittet vom Menschen, in seine Menschlichkeit aufgenommen und mitgenommen zu werden.

Bruder Tier

Der Mensch geht aufrecht, und durch die aufrechte Haltung gewinnt er die freie Mitte. Nicht nur das große Gehirn als Homo sapiens, sondern auch die freie Mitte! Das Tier, horizontal ausgerichtet, lebt ganz in der Wirklichkeit! Der Mensch, vertikal aufrecht gehend, lebt in der Aufrichtigkeit. Unsere Frage ist nicht nur die nach der Wirklichkeit, sondern nach der Aufrichtigkeit. Die gesamte moralische Dimension unseres Seins hängt konstitutionell an der aufrechten Haltung. Und die Frage nach unserem würdigen oder unwürdigen Verhältnis zum Tier ist auch eine moralische Frage. Und was ist jetzt würdig gegenüber den Tieren: dass sie auf Augenhöhe mit uns sind, unsere Brüder und Schwestern sind, dass wir über ihnen stehen und sie führen müssen oder dass sie über uns stehen und wir als ungeschickte Menschenkinder von ihrer großen Weisheit geführt werden können? Das eine wie auch das andere ist richtig. Ich schlage als Antwort vor, dass wir aus der freien Mitte die Möglichkeit haben, uns frei dem Tier gegenüberzustellen. Wer Freiheit sagt, sagt Verantwortung. Jede freie Haltung und Tat ist in dem Maße frei, wie sie bereit ist, die Konsequenzen daraus zu tragen. Die Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Tier und Mensch ist also dreifach: Wir Menschen stehen einerseits über dem Tier und können und sollen es führen; wir Menschen stehen aber auch auf Augenhöhe mit dem Bruder Tier; und drittens stehen wir Menschen auch unter dem Tier, denn es hat spezialisierte Fähigkeiten, und ohne das Tier könnten wir Menschen so auf der Erde nicht leben.

Die Führung der Tiere. Der Mensch, evolutiv als Letzter erschienen, behält die embryonal bei allen Säugetieren veranlagte aufrechte Haltung bis zum Schluss bei und geht aufrecht auf der Erde. Dadurch entsteht eine eigenständige Mitte. Erst die menschliche Organisation ist ein durchkomponierter dreigliedriger Organismus, ein Organismus, der ein auf Autonomie hin veranlagtes Seelenleben in Denken, Fühlen und Wollen individuell verfügbar macht. Diese Lernfähigkeit und Kulturfähigkeit ruft uns Menschen in die führende Verantwortung für das Tier. Wie kann diese Verantwortung heute erfüllt und gelebt werden, zum Beispiel in der Zucht unserer Haustiere oder bei der Schlachtung der Tiere?

Die Mitgeschöpflichkeit zum Tier. Die Tiere können gehen wie wir, wir begleiten uns gegenseitig, nomadisierend und wandernd. Die Tiere haben Hunger und Durst wie wir, wir sind vereint in diesen basalen Bedürfnissen. Die Tiere können schnuppern und horchen wie wir. Das Pferd spitzt die Ohren und wir schauen mit ihm in seine Richtung. Das Muhen einer Kuh, der wir das Kalb genommen haben, geht uns durch Mark und Bein. Der Blick in das Auge eines verendenden Tieres ist wie der Blick in gemeinsame seelische Tiefen. Die Tiere sind unsere Schwestern und Brüder und wir teilen mit ihnen die Gaben der Erde und die Stimmen des Himmels. Diese Empfindung der Mitgeschöpflichkeit den Tieren gegenüber ist ein tragender Grund für beide Seiten. Wie können wir heute diese Geschwisterlichkeit ehrlich leben?

Tiere als Meister. In ihren Fähigkeiten überragen die Tiere uns Menschen bei Weitem. Kein Schäfer könnte seine Herde führen ohne seinen Hund. Keine Wüste wäre vom Menschen durchquert worden ohne die Kamele. Und die Sesshaftigkeit des Menschen wäre nicht möglich ohne die Kuh. Die Selbstverträglichkeit der Boviden, dass sie das Futter ertragen, das mit ihrem eigenen Mist gedüngt wurde, macht eine ortsgebundene langfristige Landwirtschaft erst möglich. Genauso, wie nur über die Mistdüngung langfristig eine Humussteigerung im Ackerboden zu erreichen ist. Wie können wir heute diese einzigartigen Tierleistungen kommunizieren, um dafür Achtung und damit Würde zu erlangen?

Alte und neue Heimat der Tiere

Dieses Grundverhältnis haben wir Menschen auf unserem Weg der Kulturentwicklung ergriffen und durch die Domestizierung der Tiere in Arbeit genommen. Die Nutzung der Tiere als bloßer Zweck ist dabei eine verkürzte Sicht. Auf Französisch heißt der Tierhalter ‹l’éleveur›, Tierhaltung und Domestikation heißen ‹l’élevage›, was sich mit ‹heraufheben› übersetzen lässt. Der Tierhalter, die Tierhalterin hebt das Tier zu sich hinauf. Er oder sie nimmt das Tier zu sich, lebt mit ihm. Er oder sie nimmt es ins eigene Haus als Haustier. Aus dieser Kultur sind die vielen Haustierrassen entstanden. Ihre Diversität ist enorm. In Frankreich gab es Hunderte regionale Kuh-, Schweine- oder Hühnerrassen. Diese Regionalrassen oder Regionalschläge bildeten eine Art Heimat, die wir Menschen den Tieren geschaffen haben, nachdem wir ihnen die ursprüngliche Beheimatung in der freien Wildbahn genommen hatten. Nun ist diese regionale Agrarkultur praktisch verschwunden. Die Tierhaltung wurde insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg radikal umgebaut, industrialisiert und globalisiert. Wo können die Tiere eine neue Heimat finden? In einem globalisierten Genetikmix, in einer Totalmischration, die nach den Notierungen der Rohwarenbörsen zusammengestellt wird, in Massenställen, Massentransporten und Schlachtindustrien findet sich keine Heimat. Genauso wenig beheimaten sich die Haustiere in einem gehätschelten Kuschel­tierstatus, wo der Hund zum Coiffeur gebracht wird und im Auto auf dem Beifahrersitz mitfährt. Wo ist die Mitte?

Ich meine, dass die landwirtschaftliche Ganzheit, die wir als landwirtschaftlichen Organismus und als Individualität anstreben, diese Frage beantwortet. Das Tier braucht einen Bezugsrahmen. Das Tier ist die seelische und leibliche Verkörperung seines Beziehungsgeflechtes. Die Isolierung wie auch die Vermassung sind sein Tod. Der aus Einsicht und Erfahrung gewollte und gestaltete landwirtschaftliche Organismus, der ohne das Tier über längere Zeiträume nicht leben kann, ist das moderne zeitgemäße ‹Kulturbiotop› für die Haustiere, ohne das sie nicht leben können. Die Tiere sind Organe in diesem Organismus, jede Tierart ist ein anderes Organ, aber jeweils als Herdengemeinschaft und als generationenübergreifende Tieranwesenheit. Dadurch bekommen alle Fragen der Tierhaltung ein anderes Vorzeichen. Der Vorwurf von der Kuh als Klimakiller wendet sich in sein Gegenteil: Die Kuh wird Klimaschöpfer. Wie dieser Ansatz umzusetzen ist in Haltung, Fütterung, Zucht und Düngung, ist ein Hauptthema der Praxisforschung in der biodynamischen Bewegung seit ihren Anfängen. Im Kern besagt die Integration der Tiere in der Biodynamik, dass wir die Schicksals- und Handlungsgemeinschaft von Tier und Mensch auf die Grundlage der landwirtschaftlichen Ganzheit im Sinne des landwirtschaftlichen Organismus stellen. In dem existenziellen Bemühen der landwirtschaftlichen Individualität, wie sie Rudolf Steiner bereits 1924 vorgeschlagen hat, gestaltet der Mensch in seiner Führungsaufgabe aus den Ichkräften heraus ein realgeistiges ‹Kulturbiotop› – dank der Tiere, mit den Tieren, und für die Tiere.

Menschenwürde und Tierwürde

Ich fasse die Überlegungen in ein Bild zusammen: Der Mensch hat sein Ich als Bewusstsein seiner selbst in sich, es ist der irdische Abdruck in seinem Erden-Wachbewusstsein, ein Ausdruck unserer geistigen Natur und, unserer Willensnatur. Dieses Ich-Bewusstsein ist nicht gegeben, es ist zu erlernen, über die verschiedenen Stufen der Entwicklung vom Kleinkind zum Schulkind, über das Jugendalter zum erwachsenen Menschen hin. Auch dann, wenn das Ich vollständig da ist, ist es immer neu zu erobern, zu entwickeln. Es ist gefährdet und gestützt gleichzeitig durch die Tiere im Innern. Furcht, Hass, Zweifel, sind die seelischen Tiere, die es ständig neu zu überwinden gilt. Das Ich ist auch gefährdet und gestützt durch die Tiere die als Urbilder im Tierkreis unser Sehfeld, das Feld unseres Wachbewusstseins begrenzen. Sie konstituieren mich aus der Zwölfheit des Tierkreises, aber ich muss die Individualisierung schaffen, sonst bleibe ich ‹Welt› und werde nicht Mensch. Und so könnte man sagen, im menschlichen Ich-Erlebnis, im Selbstbewusstsein, werden im Innern die Tiere erlöst aus dem Gebanntsein in die Tierheit und werden erlöst auch im Äußern aus ihrer unwandelbaren Fixierung in ihre eigene Urbildlichkeit.

Wir stehen in dem ‹Ringen um das Humanum›. Dieses Humane gründet in der existenziellen Empfindung der Menschenwürde. Diese Menschenwürde urständet als Individualprinzip im Menschen, bleibt aber nicht auf ihn beschränkt, sondern kann und sollte von ihm ausströmen in die Welt und die Natur als eine empfindungsgetragene Erkenntnis- und Handlungsqualität, die überall Würde hinträgt. Würde als Schutz des Geschöpften, Würde aber auch als Haltung des Ermöglichens jedem Wesen gegenüber, damit es in seine nächste Entwicklungsstufe einzutreten vermag. Diese Würde ist eine zivilisatorische Kategorie. Diese Würde braucht Orte, wo sie sich entwickeln und entfalten kann. Höfe, die eine integrierte Viehhaltung betreiben wie die biodynamischen Betriebe, dürfen mit Recht als solche Orte angesehen werden – als Ankerorte und Leuchtturm­orte für ‹Würde›, als Schutz und als geistiger Entwicklungsraum.

FO_vamg_umschlag_perspektive_und_initiativen_corona_2020_05_29_1_screen.jpgBuch Die Verantwortlichen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft haben aus den Blickrichtungen der einzelnen Fachsektionen Beiträge zum Verstehen der Coronakrise und Anregungen zum Handeln zusammengestellt. Das daraus entstandene Buch wird im Juni veröffentlicht. Dieser Beitrag ist zuerst für dieses Buch geschrieben worden.
Titelbild: eine Viele, Shira Nov, Tinte auf Papier, 2018
Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare