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Gegen Viren muss man kämpfen – so das heutige Diktum. Jedoch sind Viren auch für die Gesundheit aller Lebewesen wesentlich. Es geht also auch darum, sie zu verstehen und ein richtiges Verhältnis mit ihnen zu finden, so Thomas Hardtmuth, freier Dozent und ehemaliger Oberarzt für Chirurgie und Thoraxchirurgie am Klinikum Heidenheim.


Als wahr wird heute allgemein akzeptiert, was durch Wissenschaft objektiv bewiesen ist. Das stimmt oft, aber nicht immer. Wenn jemand hohen Blutdruck und erhöhte Cholesterinwerte hat und einen Schlaganfall bekommt, dann ist man geneigt zu sagen, das hohe Cholesterin und der erhöhte Blutdruck hätten zum Schlaganfall geführt; das bleibt eine wissenschaftliche Halbwahrheit, wenn ich nicht gleichzeitig sage, dass von 100 Menschen mit erhöhtem Blutdruck- und Cholesterinwerten 97 ‹keinen› Schlaganfall bekommen. Was hat das mit Viren zu tun?

Grafik: Adrien Jutard

Wir wissen heute, dass die Viren die ältesten Gebilde in der belebten Natur überhaupt sind. Alle Organismen dieser Welt sind mit unzähligen Viren besiedelt und diese haben in der Genregulation aller Lebewesen seit Beginn der Evolution eine entscheidende Rolle gespielt.1 Mittlerweile sind durch genomische Stammbaum-Analysen etwa 45 000 Retroviren und circa 1,5 Millionen Fragmente von viralen Genomsequenzen im menschlichen Erbgut identifiziert worden. Diese Gensequenzen haben in den allermeisten Fällen keine Protein-codierende Funktion, sondern spielen bei der Transkription regulatorischer RNA eine wichtige Rolle. Was heißt das? Bei jeder Genablesung (Transkription) wird die dabei gebildete messenger-RNA (mRNA) in einem hochkomplexen Prozess – wir sprechen von RNA-Prozessierung – durch diese regulatorischen RNA-Elemente im Sinne einer Aktualisierung der genetischen Information so bearbeitet, dass die Gene entsprechend des situativen Kontexts, in dem sich der Organismus befindet, exprimiert werden. Einfach ausgedrückt, wenn ich einen Apfel esse, werden in meinem Verdauungsapparat andere genetische Muster exprimiert, als wenn ich eine Bratwurst zu mir nehme. Die viralen Genbestandteile sind also über die regulatorische RNA entscheidend an den genetischen Steuerungsprozessen beteiligt.

Nun sind erst in den letzten Jahren Studien durchgeführt worden, die sich mit der Frage beschäftigten, was eigentlich Viren bei ‹gesunden› Menschen machen. Überraschend zeigt sich dabei, dass auf der Haut und den Schleimhäuten, in Lunge und Darm Millionen verschiedener Viren zu finden sind, darunter auch zahlreiche sogenannte Krankheitserreger. Über 70 Prozent waren dabei völlig neue, unbekannte Viren. Sogar im ‹Blut› von 8000 gesunden Blutspendern konnte das Erbgut von insgesamt 94 Virenarten nachgewiesen werden, wovon allein 19 dieser Arten bei 42 Prozent der Testpersonen vorkamen. Mit dabei: Pockenviren, Hepatitis-B- und -C Viren, Herpesviren, Papillomaviren, die mit Gebärmutterhalskrebs in Verbindung gebracht werden, AIDS-Viren, Viren, die Gelbfieber und Frühsommer-Hirnhautentzündung auslösen u. v. m.2

Wie das Cholesterin im Blut so spielen offensichtlich auch Viren im Organismus von gesunden Menschen eine wichtige Rolle, was angesichts der langen gemeinsamen Evolutionsgeschichte von Mensch und Viren nicht überrascht. Wir wissen auch, dass die Viren erst ab einer bestimmten Anzahl (Viruslast) überhaupt eine Krankheitsrelevanz haben, dass ihr Vorkommen ‹in Maßen› also ganz normal ist. Daher auch die vielen falsch positiven Ergebnisse des Corona-PCR-Tests, denn dieser kann auch geringste, d. h. ‹physiologische› Virenmengen nachweisen.

Wir wissen, dass die Viren erst ab einer bestimmten Anzahl überhaupt eine Krankheitsrelevanz haben, ihr Vorkommen ‹in Maßen› ist also ganz normal.

Die Viren in der Natur sind maßgeblich an der Regulation der Populationsdynamik der Mikroorganismen beteiligt, d. h., sie sorgen auch dafür, dass die etwa 50 Billionen Bakterien, mit denen der gesunde Mensch besiedelt ist, in einem ausgewogenen Mengenverhältnis zueinander stehen. Das sogenannte Mikrobiom, d. h. die Gesamtheit aller mit dem Menschen in Symbiose lebenden Mikroorganismen, wird heute als ‹Organ› des Menschen verstanden, weil es zahllose, essenziell wichtige Funktionen im Organismus erfüllt, ohne die wir gar nicht leben könnten. Die Viren gehören zu diesem Mikrobiom dazu und werden entsprechend als Virom bezeichnet. Die Immun- und Homöostasefunktionen des gesunden Organismus zerstören diese Viren nicht, sondern sorgen für die sehr individuell ausbalancierte Angemessenheit ihres Vorkommens.

Wenn wir das Cholesterin im Blut senken, mag das in vielen Fällen Sinn machen und so manchen Schlaganfall verhindern helfen, würden wir aber gegen Cholesterin impfen, d. h. den Körper dazu veranlassen, Antikörper gegen Cholesterin zu bilden, dann würden wir das Leben des Patienten gefährden, weil das Cholesterin für die Gesundheit unverzichtbar ist. Beispielsweise wird eine ganze Reihe von Hormonen aus Cholesterin synthetisiert.

Bei den Viren ist die Impfung nun nicht so dramatisch, denn es gibt sehr viele verschiedene von ihnen. Dennoch können wir die Tatsache nicht länger ignorieren, dass wir mit antiviralen Impfstoffen in gesunde Prozesse der mikrobiellen und genetischen Regulation eingreifen und damit das Risiko für Autoimmunkrankheiten erhöhen.3 In den USA, wo immer schon eine großzügige Impfpolitik herrschte, haben bereits 15,9 Prozent der Bevölkerung (41 Millionen Bürger) Antikörper gegen körpereigenes Genmaterial, sog. antinukleäre Antikörper (ANA).4 Etwa 20 bis 30 Millionen Amerikaner leiden an einer oder mehreren Autoimmunerkrankungen (Diabetes Typ 1, Multiple Sklerose, Rheuma u. v. m.), mit seit Jahren steigender Tendenz. In Deutschland sind 5 bis 8 Prozent der Bevölkerung betroffen, also weit über 4 Millionen Menschen.

Eine verantwortungsvolle Wissenschaft muss auf diese Zusammenhänge hinweisen, sonst bleibt die Aufklärung unvollständig.

Hinweis: Die Einleitung wurde gegenüber der Druckfassung leicht angepasst.

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Footnotes

  1. T. Hardtmuth, Die Rolle der Viren in Evolution und Medizin – Versuch einer systemischen Perspektive. Jahrbuch für Goetheanismus 2019, Tycho-Brahe-Verlag, Niefern-Öschelbronn, S. 125–182.
  2. A. Moustafa, C. Xie, E. Kirkness et al., The blood DNA virome in 8000 humans. Public Library of Science Pathogens 2017, 13 (3), e1006292.
  3. Y. Segal, Y. Shoenfeld, Vaccine-induced autoimmunity: the role of molecular mimicry and immune crossreaction. Cellular & Molecular Immunology 2018, 15, S. 586–594.
  4. G. E. Dinse, C. G. Parks, C. R. Weinberg et al., Increasing Prevalence of Antinuclear Antibodies in the United States. Arthritis & Rheumatology 2020, 72, S. 1026–1035.

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