Spirituelle Wissenschaft der Zukunft

Wie können wir wissenschaftlich erfassen, dass wir es in der Sinnenwelt mit Wesen zu tun haben? Kees Veenman forscht zu Spektralfarben und stellt hier einige seiner Ergebnisse vor, die ihn bis zu einer Christus-Erfahrung führten.


Unsere Gesellschaft ist stark von der modernen Wissenschaft geprägt. Diese Wissenschaft erstellt Modelle über die Realität, die jenseits unserer beobachtbaren Sinnesgrenze liegt, wobei das Atommodell das wichtigste Beispiel ist. Die anthroposophische Geisteswissenschaft besagt jedoch, dass hinter allen Sinneseindrücken geistige Wesenheiten tätig sind. Was verursacht diesen großen Unterschied? Rudolf Steiner äußerte über die materialistische Modellbildung: «Ich durchstoße die Grenze der Sinneswelt und konstruiere dahinter Atome und dergleichen […]. Ich bin gewissermaßen ein Schüler der trägen Materie, die immer noch fortrollt, wenn sie an einem Orte angekommen ist, auch wenn die Kraft des Fortrollens schon nachgelassen hat.»1 Darüber hinaus stellt er fest, dass in Zukunft eine Geisteswissenschaft zeigen wird: «Die Materie ist aufgebaut in dem Sinne, wie der Christus sie nach und nach angeordnet hat! – Man wird den Christus bis in die Gesetze der Chemie und Physik hinein finden.»2

Beide Strömungen existieren nebeneinander. Und das hat gute Gründe. Die Engel, welche die Menschheit während der ägyptischen Kulturperiode geführt haben, leiten auch unsere Zeit. Einige dieser Engel konnten sich mit dem Kommen Christi vereinen, andere nicht. Diese letzteren inspirieren materialistische Ansichten, die ersteren inspirieren die Menschen dazu, das Geistige zu erfahren, das hinter dem Physischen wirkt.3 An anderer Stelle beschreibt Rudolf Steiner eine Reihe von vier Seelenstimmungen, die zu einer hellseherischen Wahrnehmung der Wesen hinter dem Sinnesschleier führen können, nämlich ein Phänomen bewundern zu können, eine tiefe Ehrfurcht empfinden, das Phänomen als Weltprozess erleben zu können und sich mit diesem Weltprozess vollständig vereinen zu können.4 In dieser ‹Vier-Faltigkeit› erkenne ich, was ich erfuhr, als ich im Alter von 37 Jahren ein Erlebnis mit der Farbe Gelb hatte.

Sowohl die prismatischen Farben als auch die Farben am Himmel weisen jeweils eine charakteristische Gestalt auf. Diese Gestalten zeigen die Art der Zusammenarbeit von Licht und Finsternis bei der Entstehung der verschiedenen Farben. Bei Sonnenuntergang hat die gelbe Sonne eine strahlende Gestalt, die weit über die Sonne hinausgeht. Davon ist bei der orangefarbenen Sonne nur noch wenig übrig und die rote Sonne am Horizont strahlt nicht, sondern hat eine scharfe Kontur. Diese Gebärden sind in der prismatischen Farbe wiederzufinden, wenn man durch ein Prisma auf einen weißen Kreis auf schwarzen Hintergrund blickt. Das Gelb geht strahlend und allmählich ins Weiß über, das Rot hat eine gestaute Gestalt gegenüber der Finsternis. Auf der anderen Seite strahlt das dunkle Blau weit in die Finsternis hinein. Am blauen Himmel findet man dies im Zenit, wo das Blau am dunkelsten ist und die größte Tiefe hat. Genau wie beim Prisma strahlt das Sonnenlicht in die Finsternis des Weltalls, die das Licht aufnimmt, und fängt unseren Blick ein. Das erzeugt Tiefe. Für die Gebärden von Grün und Magenta betrachten wir diese Farben auf einem dunklen Hintergrund durch ein Prisma (Foto links). Wir sehen, dass sich Magenta als farbiges Licht mit der Dunkelheit zu Rot und Blau entwickelt. Grün entwickelt sich nicht und bleibt unspezialisiert. Diese Farbformen zeigen, wie Licht und Dunkelheit zusammenwirken, um die Farben zu erzeugen.5

Die kosmische Gelb-Gestalt

Betrachtet man nun den Gelb-Weiß-Übergang des ersten Bildes durch ein zweites Prisma, sieht diese strahlende Gestalt genauso aus. Das erste Bild zeigt den ursprünglichen prismatische Übergang (Gelbfoto rechts, oben), das zweite Bild zeigt ein Foto dieses Übergangs, gemacht durch ein zweites Prisma (Gelbfoto rechts, unten). Auf dem ersten Foto ist das Gelb dunkler als das angrenzende Weiß. Meine Frage war: Wie interagiert diese gelb gefärbte Finsternis mit dem Licht daneben, wenn ich sie durch ein zweites Prisma betrachte? Die strahlende Gestalt, die sich zwischen der gelb gefärbten Finsternis und dem Licht entwickelte, blieb dieselbe wie im ursprünglichen Experiment! Ich erlebte daran Folgendes: Zuerst eine glühende Bewunderung, mein Herz brannte. Dann eine tiefe Ehrfurcht. Sofort die Erkenntnis: Diese strahlende gelbe Gestalt ist die kosmische Gelb-Gestalt. Endlich das Gefühl, eins mit dieser Gestalt zu werden. Das sind genau die Schritte, die Rudolf Steiner erwähnt hat.

Christus in den Farben

Die darauf folgende Erfahrung: Ich sah alle Farben als Wesen in einem Kreis vereint. Ich erlebte diese Wesen als moralische Giganten, die weit über den Menschen stehen. Ich habe ihren Willen erlebt, Menschen mit der moralischen Kraft der Farbe zu heilen. Dabei müssen sie durch den Menschen erkannt und anerkannt werden, um ihre Arbeit leisten zu können. Und Christus war inmitten dieser farbigen Wesen, als ihr Zentrum. Christus gab jedem farbigen Wesen eine neue Entwicklungsperspektive. Ich kannte diese Perspektiven nicht und mir wurde klar, dass ich nicht danach fragen sollte. Vielleicht würde das Leben eine Antwort bringen, das blieb abzuwarten. Dieses Erlebnis dauerte in Erdenzeit vielleicht eine Minute. Aber rückblickend kann ich sagen, dass nichts mein Leben so tiefgreifend beeinflusst hat. Ich erlebe es als etwas, was sich endlos entfaltet, jetzt und in der Zukunft. Zuerst fragte ich mich: Warum passiert mir das? Nun stellt sich die Frage: Wozu? Denn es ist persönlich, aber auch überpersönlich. Immer mehr Menschen haben eine Christus-Erfahrung und diese erwartet letztendlich uns alle. Jeder Mensch wird früher oder später die Möglichkeit haben, sich mit Christus zu verbinden.

Durch diese Erfahrung sind in meiner Forschung drei Phasen aufgetreten. Zuerst die Jahre, in denen sich das Thema der Farbmeditation entwickelte, inspiriert von der moralischen und heilenden Kraft der Farbenwesen. Um meinen zweiten Mondknoten herum gewann ich Einblick in die zukünftigen Perspektiven, die Christus den Farben gegeben hat.

Und im letzten Jahr wurde mir endlich bewusst, welche Wesen sich hinter den Farben verbergen. Ich werde kurz auf alles eingehen, beschränke mich dabei aber auf die Farbe Grün.

Farbmeditationen

Bei den Farbmeditationen unterscheide ich zwischen Meditationen nach innen und nach außen. Innerlich erschafft man aus eigener Kraft innere Farbbilder. Solche durch den Menschen erzeugten Bilder werden in der Zukunft «nicht traumhaft in ihm auf- und abwogen, sondern er wird sie wie die heutigen Vorstellungen mit vollem Selbstbewusstsein in sich hervorrufen […]. Die Farbe, welche mit der Farbenvorstellung zugleich entsteht, wird nicht bloß ein Bild in der Seele sein, sondern sie wird sich draußen im Raume entfalten.»6

Ein Beispiel einer Farbmeditation: Erschaffe innerlich ein strahlendes Licht über dir. Das erfordert viel Kraft und geht weit über die Vorstellung von Licht hinaus. Erschaffe auch Finsternis links, rechts und unter dir. Dann lass das Licht in die Finsternis auf der rechten Seite scheinen, aber die Finsternis lässt das Licht nicht zu. Durch die Stauung zwischen den beiden lässt man das Rot entstehen. Dann lässt man auch das Licht in die Finsternis auf der linken Seite scheinen, wobei das Licht tief in die Finsternis hineinstrahlt. Da lässt man Blau entstehen. Jetzt ist die Mitte offengeblieben. Dort lässt man das Licht senkrecht nach unten strahlen und der Finsternis begegnen, aber so, dass das Licht gegenüber der Finsternis weder strahlt noch staut, sondern in ein ausgeglichenes Verhältnis mit der Finsternis tritt. Dort schafft man Grün.

Als ich diese Meditation täglich machte, kam ich zu einem unerwarteten Ergebnis. Ich hörte mich zu jemandem sagen: Grün ist so unspezialisiert wie die menschliche Hand. Sie ist nicht wie eine Löwenpranke auf irgendeine Handlung spezialisiert, aber mit der Hand kann man alles tun! So bezieht sich jede Farbe auf einen anderen Aspekt des menschlichen Körpers.

Man kann auf meditative Weise auch lernen, in eine Farbe außerhalb hineinzuwachsen, wie das Betreten einer Unendlichkeit. Dann erlebt man eine moralische Kraft des Wesens hinter der betreffenden Farbe.7 Betrachtet man das Frühlingsgrün eines frischen Buchenblattes im Gegenlicht der Sonne, kann man erleben, dass das Frühlingsgrün offenbart, dass sich die Pflanze aus dem Geistigen wieder formt und neu in die Erscheinungswelt tritt. Eine Art Inkarnationsprozess also.

Zukunft der Farben

Ich musste lange warten, bis ich nach den Zukunftsperspektiven fragen durfte, die Christus den Farben gegeben hat. Ich vermute, dass dies charakteristisch ist für die spirituelle Wissenschaft der Zukunft. Als ich 55 war, äußerten an einem Tag zwei Menschen unabhängig voneinander die Worte Christi im Zusammenhang mit der Farbe Grün. Daraus wurde mir klar, dass die Zeit reif war! Kurz darauf entstand Einsicht in die Zukunftsperspektive für die drei Farben Rot, Grün und Blau. Hier nur das Ergebnis für das Grün: Christus hat das Logos-Prinzip der schöpferischen Wortkraft mit Grün verbunden. Warum ist das eine Zukunftsperspektive? Weil der Mensch mit seinem Sprechen in der Zukunft neues menschliches Leben erschaffen und sogar hervorbringen wird. Dies ist nur aus einer Verbindung mit Christus möglich.8 Ich habe dieses Perspektive als Intuition empfangen, aber Steiner machte es mir verständlich im Bezug auf die zukünftige Entwicklung.

Licht und Finsternis

Dieses Jahr hatte ich erneut Fragen zum Unterschied zwischen Rot und Blau. Warum erscheint Rot auf der am wenigsten brechenden Seite eines Lichtbündels, das in einem Prisma gebrochen wird, Blau jedoch auf der am stärksten brechenden Seite? Entsteht Rot nicht auch dort, wo bei Sonnenuntergang das Licht die Dunkelheit der Trübe am meisten durchdringt? Überwindet das Licht eine Art Widerstand, wenn es das Rot erzeugt? Hier obliegt die Gefahr einer materialistischen Erklärung. Und bevor man es bemerkt, denkt man wieder in Wellenlängen. Als mir aber klar wurde, dass die Ursache für das, was ich beobachtete, im Geistigen zu finden war, wurde mir auch deutlich, dass ich das strahlende und verdichtende Prinzip im Kosmos suchen müsse. So kam ich zu dem Schluss, dass sowohl die Sonne (als das strahlende Prinzip im Kosmos) als auch der Mond (als das verdichtende Prinzip) bei der Entstehung von Farben beteiligt sind. Das würde bedeuten, dass die strahlende Gestalt des Blaus vom Strahlen der Sonne und die gestaute Gestalt des Rots von der Verdichtung des Mondes herrührt. Ähnliches sagte auch Rudolf Steiner in einer esoterischen Stunde: «Wenn man zum Beispiel mitempfindet, wie die Sonne nur Geist und Schöpfungsfreude ist und der Mond das Kalte, Herbe, Zusammenziehende, Verknöcherte, so wird dies letztere eine Lichterscheinung hervorrufen, die von Orange durch Rot ins Braun geht, während bei der Sonne sich das Gefühl zu einer Lichterscheinung verdichtet, die von Blau durch Blauviolett ins Rotviolett übergeht.»9

Farben formen

Ich bekam eine Ahnung, dass es bei den Wesen hinter den Farben um die Elohim, die Schöpfer der Erde, gehen müsste. Schließlich blieb einer von ihnen, Jahwe, mit dem Mond verbunden, als sich die Sonne von der Erde und später der Mond sich von der Erde trennte, während der Rest von den Elohim mit der Sonne verbunden blieb. Ich fragte mich, ob Steiner etwas in dieser Richtung gesagt hatte. Das hat sich bewahrheitet. Die Elohim haben bei der Erschaffung der Erde ihr Inneres veräußerlicht. Daraus entstand die Schönheit der Farben. In einem Vortrag über Kunst beschreibt Steiner die moralische Kraft von Rot und stellt fest, dass «die Elohim, als sie zu dem Elohimdasein aufgestiegen waren, gelernt haben, aus den Farben heraus die Formenwelt zu gestalten.» Und «wie die Formen der Farbe Werk sind».10 Jede Farbe kann aus ihrer Farbgestalt formen, zum Beispiel aus der Staukraft von Rot oder der Strahlkraft von Gelb. Als Friedrich Rittelmeyer später Rudolf Steiner fragte, ob es richtig sei, dass die sieben Farben des Farbspektrums den Charakter der sieben Elohim ausdrücken, antwortete er mit Ja. Und auf die weitere Frage, wo Christus im Farbspektrum zu finden sei, antwortete er: «Er steht hinter dem Grün.» Warum befand sich Christus in meiner Erfahrung in der Mitte der Farben als deren Zentrum? Aber das ist kein Widerspruch! Schließlich bleibt Christus, auch wenn er auf die Erde gegangen ist, der Führer der Elohim und daher ihr Zentrum. Gleichzeitig ist er als Logos, als Kraft des Wortes, mit dem Grünen verbunden.

Ich habe den Eindruck, dass das, was ich hier über die Farbe beschrieben habe, ein Beispiel für spirituelle Wissenschaft der Zukunft sein könnte, wie Rudolf Steiner es vorausgesehen hat: «Man wird den Christus bis in die Gesetze der Chemie und Physik hinein finden».


Fotos von Kees Veenmann aus prismatischen Experimenten

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Footnotes

  1. Rudolf Steiner, Grenzen der Naturerkenntnis. GA 322, Dornach 1981
  2. Rudolf Steiner, Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit. GA 15, Dornach 1987
  3. Ebenda
  4. Rudolf Steiner, Erfahrungen des Übersinnlichen, die drei Wege der Seele zu Christus. GA 143, Dornach 1994
  5. Kees Veenman, Kleurmeditatie. Pentagon, Amsterdam 2015. In Frühjahr 2024 wird eine englische Übersetzung erscheinen bei SteinerBooks in New York.
  6. Rudolf Steiner, Aus der Akasha-Chronik. GA 11, Dornach 1986
  7. Rudolf Steiner, Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen. GA 136, Dornach 1996
  8. Aus der Notiz zur esoterischen Stunde, Berlin 1. Nov. 1907, in: Rudolf Steiner, Farbenerkenntnis. GA 291a, Dornach 1990
  9. Rudolf Steiner, Das Wesen der Farben. GA 291, Dornach 1980
  10. Rudolf Steiner, Farbenerkenntnis. GA 291a, Dornach 1990

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