Was meine ich mit Meditation?

Der Sinn des Meditierens ist, den Abgrund, der sich im Laufe der Bewusstseinsentwicklung zum Selbstbewusstsein hin zwischen dem leiblich gespiegelten Vergangenheitsbewusstsein und der Ebene der Lebendigkeit – die gespiegelt wird – aufgetan hat, zu überwinden.


Die Meditation besteht aus der freien konzentrierten Aufmerksamkeit. Diese hebt das Alltagsbewusstsein in das höhere Ich. Die Aufmerksamkeit lernt dabei auch empfangend aktiv und konzentriert zu bleiben. Wandelt sich der Aufmerksamkeitswille zu einem empfangenden, dann erscheint auf der nächsthöheren Bewusstseinsebene ein neues Verstehen. Als ob man erst einen durchsichtigen Edelstein anschauen und dann mit dem Blick in seinen Innenraum dringen würde: Vor der Aufmerksamkeit schmelzen seine Grenzflächen weg, und man kann stets weiter nach innen schreiten.

Wenn das Kind lesen lernt, richtet es die Aufmerksamkeit erst auf die Buchstaben, dann auf ihre Gruppierung als Einheit, um die Worte zu erfassen. Es folgt eine Verschiebung der Aufmerksamkeit zum Satz hin. Beim Meditieren begegnet der oder die Übende der Schwierigkeit, seine Aufmerksamkeit auf den Sinn zu erweitern, sich in die Einheit zu versenken.


Zusammengestellt aus: Georg Kühlewind, ‹Freiheit erüben›, Stuttgart 1991.

Foto: Sofia Lismont

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