Vom Farbklang zum Bildmotiv

Ein neues Kompendium für den künstlerischen Unterricht an Waldorfschule.


Das Buch besticht durch seinen klaren Aufbau. Die Autorin hat klar gegliederte Kapitel mit allgemeinen Überlegungen, Materialvorschlägen und nach Klassenstufen geordneten Malabläufen entworfen. Das visuelle Material strahlt Kompetenz aus. Im Vergleich zum Klassiker von Margrit Jünemann und Fritz Weitmann ‹Der künstlerische Unterricht in der Waldorfschule› von 1980 ist dieses Buch weit umfangreicher, zumal ein Folgeband zum Zeichnen noch in Aussicht gestellt wird.

Elisa Wannert ist bemüht, alles unterzubringen, was zum Thema gehört. Daraus entsteht für mein Empfinden etwas Überladenes. Besonders im sehr interessanten zweiten Teil wird unglaublich viel nur angerissen und mit Zitaten hauptsächlich von Goethe und Steiner dokumentiert – z. B. Farbenlehre, Goetheanismus, Hintergründe der Menschenkunde, Waldorfpraxis, Lichtseelenprozess, zwölf Sinne.

Ob aus diesem Band mit seinen 435 Seiten nicht zwei Bücher hätten gemacht werden sollen? Dadurch wären die Themen im zweiten Teil als ‹Band 2› mehr durchlüftet und für mit der Materie nicht Vertraute lesbarer und nachvollziehbarer. Man kann hoffen, dass es von den Leserinnen und Lesern als Anregung zu eigenem Weiterlesen, Weiterdenken und Weitersuchen genommen wird.

Alles, was im ersten Teil methodisch aufgereiht und bebildert ist, macht das Buch für weniger erfahrene Waldorflehrkräfte zu einem wertvollen Nachschlagewerk, zumal für das Finden eigener Abläufe des Malens und Zeichnens für den Unterricht vermutlich wenig Zeit übrig bleibt. Empfohlen wird aber, dass die Übungen von den Pädagogen und Pädagoginnen zuerst selbst ‹durchgemalt› werden, sonst bleiben sie im Schema hängen und ‹kennen› den Prozess nicht wirklich.

Meine große Frage, die trotz des Buchtitels offenbleibt, ist die nach dem Malen aus der Farbe, wo Farben lebendig und träumend in Beziehung gesetzt werden, sich ausdehnen, überlagern und verändern können und am Ende erst das Motiv entsteht. Es erscheint, weil ein dynamischer Prozess durchlaufen wurde. In den angegebenen Beispielen hat man das Motiv bereits im Sinn – es muss aus dem Rot dann das gemeinte Rotkäppchen werden und nicht ein Korb voller Tomaten oder ein Phönix.

Jedoch hier zählt der pädagogische Weg, der auch ein künstlerischer ist, und in eigener Art alles aus dem Prozess heraus entwickelt. Fazit: Ein solches Buch zu schreiben, macht eine Menge Arbeit. Es stecken Jahre darin. Wenn ich mir Elisa Wannerts biografischen Werdegang anschaue, denke ich, das Buch ist die Zusammenfassung eines Lebenswerkes. Als solches ist es zu achten – und auch nicht so leicht nachzumachen. Aus diesem Grund kann man hoffen, dass Einseitigkeiten in der Bildgestaltung, wie sie jede Malerin und jeder Zeichner hat, variiert werden durch die Waldorflehrpersonen, die durch Aufnehmen und selbständiges Bearbeiten der Vorlagen ihre eigenen Varianten finden und produktiv in ihrem Unterricht einsetzen werden. Empfehlenswert für jede Schulbibliothek! Cläre Kunze


Elisa Wannert,Vom Farbklang zum Bildmotiv, Verlag am Goetheanum 2019, ISBN 978-3-7235-1514-3

Titelbild: Ausschnitt aus dem Buchcover

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