Ramon wird 70

Ein Geburtstagsgruß für den Unternehmer, Kommunikations- und Sozialkünstler Ramon Brüll.


Es gibt Menschen, die tarnen ihre große Seele. Ramon Brüll ist so jemand. Vielleicht aus dem Grund, weil er so ungestört an der Welt bauen kann, ungesehen die Liebe in die Erde des sozialen Lebens senken kann. Jetzt, am 4. März, wird er 70 Jahre alt, und wenn man ihm zuruft: «Welch eine Lebensleistung!», darf man sich seines Lachens gewiss sein, denn sich auf die Schulter zu klopfen gehört nicht zu seinen Bewegungsformen, sondern vielmehr die einzigartige Mischung aus niederländischer Merkurialität und deutscher Zielstrebigkeit. So antwortet sein Freund und Weggenosse Jens Heisterkamp auf die Frage, wie Ramon Brüll denn mit Lob umgehe, kurz: «Wird ignoriert.»

Ramon Brüll wurde in den Niederlanden geboren, sein Vater, Dieter Brüll, war Jurist und Steuerwissenschaftler und ein Forschender über die Dreigliederung. Das hat Ramon Brüll sicher tief geprägt und zugleich gehört es zu seiner Leichtfüßigkeit, dass er nicht in diesen Fußstapfen lief, sondern immer wieder von neuem Rudolf Steiners Sozialidee in die Praxis brachte. Justus Wittich erzählt, dass er Ramon Brüll erstmals 1974 am Achberger Kongress erlebte. In einem schwarzen «uralten» Mercedes sei er vorgefahren und sogleich wurde es praktisch: Ramon entwickelte eine Zeitung, einen Newsletter, als es natürlich noch keine Newsletter gab, in den drei Sprachen Deutsch, Niederländisch und Englisch zur Dreigliederung. Was heute Info3 ist, das fand damals darin seinen Anfang. Als sich später die Gruppierungen auflösten, an die der Newsletter ging, schickte Ramon kurzerhand Rechnungen für ein Abonnement, die Zeitschrift war geboren. «Ramon hat immer einen kaufmännischen Realsinn», erkärt Justus Wittich. Das ist die Mischung, die er wohl mit wenigen im anthroposophischen Leben teilt. Er vermag klar zu kalkulieren, ein Geschäftsmodell aufzustellen, heißt es nun ‹Zeitung› oder ‹Adressverzeichnis›. Mit Letzterem hatte Ramon Brüll in den 90er-Jahren das Internetzeitalter vorweggenommen. Er wollte die öffentliche Wirksamkeit der vielen Hunderten und Tausenden anthroposophischen Institutionen verbessern. Dazu mussten diese zuallererst sichtbar, auffindbar sein. So kam es zu dem Hunderte Seiten starken Verzeichnis aller der Anthroposophie nahestehenden Institutionen, von Waldorfschulen bis Therapeutika, von Banken bis Eurythmieschulen. Das Verzeichnis wurde nicht nur für Praktikum- und Stellensuchende zu einer unschätzbaren Hilfe, es schenkte der anthroposophischen Bewegung ein vitales Selbstbewusstsein, denn indem man durch die Seiten des Verzeichnisses blätterte, wurde die Vielfalt und Fülle anthroposophischer Einrichtungen handgreiflich. Diese Initiative, bei der weitere Institutionen im Boot waren, zeigt Ramons Engagement, das anthroposophische Leben mit dem allgemeinen öffentlichen Leben zusammenzubringen. Dem dient die Zeitschrift Info3, deren Geschäftsführer er ist, dem dient der Info3-Verlag, dem dienen die weiteren Initiativen, wie die Idee eines gemeinschaftlichen Eigentums oder der Schritt, den Verlag Johannes Meyer aufzukaufen.

Vielleicht aus dem Grund, weil er so ungestört an der Welt bauen kann, ungesehen die Liebe in die Erde des sozialen Lebens senken kann.

Justus Wittich erzählt, wie Ramon in den frühen Jahren von Info3 am Vormittag als Hausmeister in Niederursel arbeitete, um so für sich und seine Familie einen finanziellen Grundstock zu haben. Jens Heisterkamp haut in die gleiche Kerbe: «Ramon ist sich nie für körperliche Arbeit zu schade, er schleppt Bücher und Kisten, wo immer es sein muss.»

Wer Ramon Brüll an Konferenzen erlebt, sieht schnell seine soziale Spanne. Er liebt die menschliche Gemeinschaft und weiß zugleich, dass Ideen dadurch auf den Boden kommen, dass da ein Einzelner ist, der für sie lebt und stirbt. So jemand ist Ramon, ein zutiefst merkurialer Mensch, der zugleich oft auf einsamen Pfaden unterwegs ist. Dazu passt Jens Heisterkamps Schilderung, dass Ramon gerne im Wald alleine unterwegs ist, denn in der Natur des Waldes ist man in Gesellschaft und doch alleine. So erscheint mir auch sein Denken: Es ist selbständig und bezieht doch alle Menschen ein, es ist eigenständig und doch verbindend.

Vor vielleicht zehn Jahren erzählte mir Ramon Brüll, dass er über die finanziellen Vorgänge am Goetheanum einen kritischen Artikel schreiben wollte. Dann habe er recherchiert und sei beeindruckt gewesen von der Transparenz. Aus der geplanten Kritik wurde ein Applaus. Ramon fällt es nicht schwer, seine Haltung zu ändern, und genauso wenig fällt es ihm schwer, trotz Widerständen einer Sache treu zu bleiben – nicht aus Beharrungsvermögen, sondern aus Liebe zur Idee, aus Liebe zu den Menschen. Jetzt wird Ramon 70 Jahre alt und hat sich damit ein halbes Jahrhundert engagiert für die Anthroposophie, noch mehr für die mit der Anthroposophie verbundenen Menschen und noch mehr für den Geist der Gegenwart. Lieber Ramon: Danke.


Bilder: Ramon Brüll

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