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Positive Todeskunde

So wie es Menschenkunde, Tierkunde oder Pflanzenkunde gibt, plädiert Wolfgang Schad für eine Todeskunde im Leben. Sein Buch eröffnet einen Blick auf das Werden, was immer auch ein Sterben impliziert.


‹Die positive Resignation› fordert auf, sich gedanklich mit dem Resignieren auseinanderzusetzen, dazu aber positiv zu stehen. Gleich zu Beginn beschreibt Wolfgang Schad, dass es in der Natur keine Resignation gibt. Keine Pflanze gibt sich auf. Sie gibt sich eher hin, um etwas Neues zu werden. Goethes Untersuchungen, die er 1787 während seines Aufenthaltes in Palermo/Italien durchführte, werden genutzt, sich tiefer auf das Thema einzulassen. Der Zustand einer Raupe während ihrer Verpuppung, wenn sie sich in einen Kokon einspinnt, bringt uns zu dem Bild, wie wir uns verwandeln, wenn wir gestorben sind. In der Vergangenheit fanden Schmetterlinge als Grabbilder Verwendung. Ein Dämmerungsfalter trägt sogar den Namen ‹Psyche›. Dazu zitiert Schad den Arzt und Dichter Justinus Kerner (1786–1862): «[…] dass, wie zwischen Raupe und dem Schmetterling noch ein Mittelzustand, der der Puppe, liegt, dieses auch bei den Menschen nach dem Tode der Fall sein werde […].» Diese Metamorphose in uns selbst wirken zu lassen, führt zur selbst erforschenden Todeskunde, für die der Autor plädiert. Je mehr wir uns darauf einlassen, dass wir im Sterben nicht unwiderruflich ausgelöscht sind, sondern es lediglich eine Verwandlung des Körpers bzw. des Geistes ist, können wir positiver auf die Tatsache schauen. Goethes Worte aus dem ‹Westöstlichen Divan› kennen viele:

«Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und Werde!
Bist Du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.

Im zweiten Teil des Buches geht Schad auf den Umgang mit Kindern bezüglich dieses Themas ein. Er erklärt, wie Rudolf Steiner in seiner Pädagogik darauf hinwies, dass Kinder einen natürlichen Umgang damit haben und dass wir diesen als Bezugspersonen nicht durch Wissenschaftlichkeit stören sollten. Mit den Kindern kann man eher durch Gleichnisse aus der Natur, wie das der Raupenverpuppung zum Schmetterling, eine Bildsprache dazu entwickeln. Im dritten Teil wird über Carl Fortlage (1806–1881) berichtet, einen Mann, dessen Leben und Arbeiten eine große Rolle in der Erringung einer Todeskunde spielte. Er ergründete und beschrieb in seinem Werk ‹Die Natur der Seele› die verschiedenen Möglichkeiten, Seele und Geist sichtbar zu machen. Darin wird der Tod als ‹Schlafes Bruder› benannt: «Nur insofern wir schlafen also, leben wir; sofern wir wachen, beginnen wir zu sterben, indem wir mehr Lebenskraft ausgeben als einnehmen.»

 


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Am Ende kommt Wolfgang Schad auf den Titel seines Buches zurück, in dem er ihn erweitert zur ‹schöpferischen Resignation›. «Es ist ungeheuer wichtig, dass wir diesen Verzicht, diese schöpferische Resignation, die wir ja in der Seele erleben können, wieder als eine dem alltäglichen Leben fernliegende Vorstellung aufnehmen: Dann werden wir einen Schritt weiter in die Menschheitsevolution hineingeführt werden.»

Eine Todeskunde (Thanatologie) zu erforschen, geht uns alle an. Denn wer geboren wird, wird auch sterben. Schauen wir also voll Zuversicht auf die Metamorphose des Seins. Denken wir schöpferisch und positiv, bevor wir resignieren. Wer sich selbst in dieses Thema einfühlen möchte, dem sei diese kleine Lektüre ans Herz gelegt!


Buch Wolfang Schad, Die positive Resignation, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-7725-1404-3

Grafik: Sofia Lismont

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