Jetzt ist es reif

Weil es auf Tournee ins europäische Ausland gehen sollte, hatte sich das Eurythmie-Ensemble am Goetheanum in seinem dritten Bühnenprogramm auf Musik konzentriert. Doch dann machte die Pandemie die Reise unmöglich. Jetzt kommt das Programm ‹Klangzeiten› erstmals auf die Bühne.


Foto: Ariane Totzke

Die Choreografie haben Silke Sponheuer, Tanja Masukowitz, Gioia Falk, Eduardo Torrres und Stefan Hasler gemeinsam entwickelt. Der Titel sagt es: Es geht um den Klang, die Musik in ihrer Zeitlichkeit, in der Spanne von Augenblick und Ewigkeit, von Moment und Dauer. So entführt der 4. Satz des Streichkonzerts von Beethoven in seiner flächigen Weite und Getragenheit ins Zeitlose; man meint, sich selbst zu vergessen, während Anton Weberns Stück für Cello und Klavier nur aus acht Takten besteht, beinahe zu Ende ist, bevor es beginnt. Neben diesem Gegensatz, so Stefan Hasler, spannt sich im Programm eine zweite Polarität auf, diejenige zwischen Umkreis und Zentrum. Klingende flageolettartige Töne, weit und ungreifbar für den Verstand, befreiten die Seele vom Leib, während kratzende Geräusche der Streicher – mal traurig, sogar schrecklich – sie dann wieder in den Körper hineinholten. Die Eurythmie gebe diesem klanglichen Wechsel dann tänzerischen Ausdruck. Als Drittes zu diesem Atem der Gegensätze über eine gute Stunde kommen die einzelnen Übergänge: Mal springt es von einem zum Nächsten, mal ist dazwischen eine Stille, als würde man den Atem für einen Moment anhalten. Zu diesen Kompositionen fügen sich kurze Texte von Dag Hammarskjöld, Novalis und Rose Ausländer. Es sind Texte, die nicht danach fragen, ob man die deutsche Sprache beherrscht. So ist das nun dritte Bühnenprogramm ein weiterer Schritt der Goetheanum-Bühne, die Aufführungen für ein internationales Publikum zu weiten. Ähnlich wie bei ‹Faust› und dem Projekt ‹Achterwind› gilt, so Stefan Hasler, auch hier, dass die verlängerte Proben- und Entwicklungszeit dem Programm gutgetan habe. Jetzt sei es allerdings reif, überreif.

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