Ihr heilenden Geister

Für die Pharmazeutinnen gab Rudolf Steiner keine spezielle Meditation, doch benutzen sie gerne einige von ihm an die Ärzteschaft gegebene Meditationen.


Eine Meditation, die ich persönlich gerne in meiner Herstellung der Heilpflanzen verwende, vor allem beim Verlesen, Zerkleinern und Mörsern, kommt im dritten Vortrag des Zyklus GA 316 vor. (Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heilkunst, Dornach 4.1.1924) Dort wird beschrieben, wie der Arzt seinen Zugang zur Natur pflegen soll, um die heilenden Impulse erkennen und anwenden zu können. Das gilt aber nicht nur für Ärztin und Pharmazeut, sondern für jeden, der sich dem Naturverständnis lebendig annähern will. Die Meditation beschäftigt sich mit den drei Prinzipien der Pflanze und den darin wirkenden heilenden Geistern. Was sich ‹tria principia› (schon von Paracelsus ausgehend) an der Pflanze leiblich-physiologisch offenbart, ist nach Rudolf Steiner auch im Menschen, in seinem Seelisch-Geistigen zu finden.

Es ist aber heutzutage ungenügend, nur Meditationsworte auszusprechen und zu erwarten, in der Erkenntnis weiterzukommen. Im Vortrag wird darauf hingewiesen, dass der Mensch (der Arzt) sich zuerst möglichst intensiv mit den Naturphänomenen beschäftigen soll. «Es handelt sich darum, dass man durch diese medizinische Gesinnung einen ganz andern Naturblick gewinnt. […] Er nahm1 aber wirklich seine Weisheit über die Heilmittel aus dem unmittelbaren Umgang mit der Natur, der aber nur dann zum medizinischen Wissen führt, wenn man die Natur auch in ihren Einzelheiten lieben kann. […] Da ist es gut, wenn wir zunächst auf die Pflanzenwelt hinblicken, nicht so sehr, weil ich die Pflanzenheilmittel als universell empfehlen möchte, sondern weil man daran viel lernen kann und vor allen Dingen für die esoterische Vertiefung ungeheuer viel gewinnen kann.»

Der Meditationsspruch ist doppelt dreiteilig und für alle, die einen lebendigen Zugang zur Natur üben wollen, sehr anregend. Er fängt mit dem sulfurartigen Charakter des Blütenduftes an:

Ihr heilenden Geister
Ihr verbindet euch
Dem Sulphursegen
Des Ätherduftes;

Eine Möglichkeit wäre, sich durch Riechen in das duftende Element verschiedener Pflanzen zu vertiefen und unterschiedliche Qualitäten auch zeichnerisch farbig zu ‹symbolisieren›.

Im zweiten Teil des Spruchs geht es um den Blattbereich der Pflanze und um das Streben der Blätter nach der kosmischen Kugelgestalt, welche sich auch in der Form der Tautropfen äußert:

Ihr belebet euch
Im Aufstreben Merkurs
Dem Tautropfen
Des Wachsenden
Des Werdenden.

So kann man im Sinne der Metamorphose der Pflanze von Goethe in das wachsend-fließende Element der Pflanze eintauchen und die Umwandlungen der Blattform von unten nach oben im Denken imaginativ nachvollziehen und sich darauf besinnen.

Im letzten Teil des Spruchs geht es um die im Wurzelbereich tätigen heilenden Geister:

Ihr machet Halt
In dem Erdensalze
Das die Wurzel
Im Boden ernährt.

Hier kann man sich mit dem Geschmack der salzaufnehmenden Wurzeln befassen und den Geschmack zeichnerisch verdeutlichen.

Erst dann antwortet innerlich der Mensch, jetzt mit bewussten Sinneserfahrungen bereichert, auf das sulfurartig Duftende der Pflanze, wie es Rudolf Steiner im Vortrag sagt:

Ich will mein Seelenwissen
Verbinden dem Feuer
Des Blütenduftes;

Auch aus den kosmisch-ideal-kugelig gestalteten Tautropfen zur für jede Pflanze spezifischen Umwandlung der Blattform folgt die seelische Antwort des Menschen:

Ich will mein Seelenleben
Erregen am glitzernden Tropfen
Des Blättermorgens;

Auf verhärtende und im Geschmack auflösende Tendenzen im salinischen Wurzelbereich der Pflanze antwortet der Mensch:

Ich will mein Seelensein
Erstarken an dem Salzerhärtenden,
Mit dem die Erde
Sorgsam die Wurzel pflegt.

Durch die Sinneserfahrung dieser drei Pflanzenteile kann der Mensch im Seelenwissen befeuert, im Seelenleben erregt und im Seelensein erstarkt werden. So wird die Hingabe an die Geisteswelt durch die liebevolle Hingabe an die Sinneswelt ermöglicht, was auch zeitgemäß ist.


Info Diese Meditation wird auch am Meditationswochenende ‹Sinneswelt – Geisteswelt, Bild und Wort in der Meditation› vom 2. bis 4. Juni in der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum in einer der 16 angebotenen Arbeitsgruppen behandelt.

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Footnotes

  1. Er beschreibt die Vorgehensweise eines Arztes, den der junge Rudolf Steiner kennengelernt und geschätzt hat.

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