Eine Bildbetrachtung zum ‹Ägyptischen Eingeweihten›, den Margarita Woloschina 1915 als Studie für die Decke der kleinen Kuppel des Ersten Goetheanum malte.
Aus dem zartfarbigen Umraum des Bildes wird mein Blick unmittelbar ins Zentrum, hin zu den beiden ernst blickenden, unendlich blauen Augen geführt. Es ist ein rätselhaft unpersönlicher Blick, der auf mich den Eindruck macht, als ob die Augen durch mich hindurchschauen würden. Das linke Auge zeigt eine mehr gefasste Form, nötigt mich zu etwas Abstand, während das rechte Auge das Empfinden eines träumenden Aufgehens in der Weite dieses Blickes in mir wachruft. Das Gesicht des Eingeweihten ist im Verhältnis zur Haube, die seinen Kopf bedeckt, kleiner. In einem zarten Braungold wölbt sie sich nach oben und ist durch nach oben offene Bögen geschmückt. Über der Nasenwurzel findet sich in umgekehrter Richtung eine nach unten spitz zulaufende Form wie ein Blütenblatt, an dessen oberem Bogen am Ende eine Art gefiedertes Gebilde schwebt. Die helle Partie der Haube steht im Gegensatz zu dem dunklen Blau der Augen und dem blau gefärbten Gesicht, das durch einen noch intensiver blauen und streng geformten Halsschmuck, der sich in angedeuteten quer liegenden, lemniskatenartigen Bändern, die sich nach unten verjüngen, herabwindet. Alles scheint sich auf die schmale Kehlkopfpartie hin zu konzentrieren. Der Kopf vermittelt den Eindruck einer starken Aufrechte, die auf der lichthellen, im Verhältnis zu Hals und Kopf sehr breiten Schulterpartie ruht.
Die Brustpartie ist hell und durchsichtig, so als würde sie gar keine materielle Grundlage haben. Und dennoch strahlt sie eine ruhende Kraft aus, die wie von einer anderen Daseinsschicht zu kommen scheint. Im ruhenden Anschauen entsteht für mich immer mehr ein Hin- und Herpendeln zwischen der atmenden Weite des Brustraums und dem nach oben strebenden Kopf. Von der Haube herab fällt ein Tuch über die Schultern, aus dem zwei ungemein intensiv lauschende Ohren herausragen. Man wird fast genötigt, in dieses Hören selbst mit einzusteigen. Die Ohren wirken so, als ob sie von oben etwas empfangen würden, während der unendliche Blick aus einer weiten Tiefe des hinteren Raumes auf mich zukommt, mich beinahe mit sich nimmt. Wohin führt mich dieser Blick? Unsere Kulturepoche spiegelt sich mit der ägyptischen, wie Rudolf Steiner es in seinen geisteswissenschaftlichen Kulturgeschichtsforschungen beschreibt. Man kann die rätselhafte Anziehung dieser Epoche vielfältig erleben.
Die Brustpartie ist hell und durchsichtig, so als würde sie gar keine materielle Grundlage haben. Und dennoch strahlt sie eine ruhende Kraft aus, die wie von einer anderen Daseinsschicht zu kommen scheint. Im ruhenden Anschauen entsteht für mich immer mehr ein Hin- und Herpendeln zwischen der atmenden Weite des Brustraums und dem nach oben strebenden Kopf. Von der Haube herab fällt ein Tuch über die Schultern, aus dem zwei ungemein intensiv lauschende Ohren herausragen. Man wird fast genötigt, in dieses Hören selbst miteinzusteigen. Die Ohren wirken so, als ob sie von oben etwas empfangen würden, während der unendliche Blick aus einer weiten Tiefe des hinteren Raumes auf mich zukommt, mich beinahe mit sich nimmt. Wohin führt mich dieser Blick? Unsere Kulturepoche spiegelt sich mit der ägyptischen, wie Rudolf Steiner es in seinen geisteswissenschaftlichen Kulturgeschichtsforschungen beschreibt. Man kann die rätselhafte Anziehung dieser Epoche vielfältig erleben.
Margarita Woloschina hatte in ihrer Kindheit bereits tiefe Eindrücke des Ägyptischen in ihrem Elternhaus empfangen: «Die Auffahrt zu unserm Hause war überdacht, vor dem Eingang stand ein hoher Kandelaber. Die schwere, geschnitzte Tür öffnete sich in eine große Halle. Breite Stufen führten in einen ägyptischen Tempel. An den Säulen, die von Lotosblumenkapitälen gekrönt auf schwarzen Sockeln standen, waren bunte Hieroglyphen in flachem Relief eingeritzt. In der Tiefe öffneten sich zwei Portale, jedes oben mit einer geflügelten Sonne geschmückt; das rechte war der Rahmen eines Riesenspiegels, der täuschend die Größe des Raumes und die Zahl der Säulen verdoppelte; das linke führte in einen langen Gang, zum Inneren des Hauses. Eine dunkle ägyptische Bildsäule stand auf hohem Postament zwischen den beiden Portalen, der strenge Hüter der Schwelle.» (Aus: Margarita Woloschina, ‹Die grüne Schlange›)