Der Mensch als Pendel

Im Vorgriff auf die 11. Weltlehrer- und Erziehertagung im Frühjahr 2023 unter dem Titel ‹Umkämpfte Intelligenzen – Mind the Gap!› veröffentlichte Claus-Peter Röh eine Arbeit über das Spiel von Erkennen und Handeln in der menschlichen Entwicklung.


Dabei verweist er auf den kürzlich verstorbenen schweizerischen Reformpädagogen Remo Largo. «Lernen geht nur über konkrete und selbstbestimmte Erfahrungen», so Largo. Röh widmet sich der Frage, auf welche Weise die rhythmische Mitte des Menschen die Metamorphose von der Handlung zum Verständnis und umgekehrt vom bewussten Gedanken zur Handlung ermöglicht. Zur Anthroposophischen Menschenkunde gehöre die Erkenntnis, dass die Kopfgestalt den Abschluss einer Entwicklung bildet, während die Gliedmaßen der noch junge Beginn einer zukünftigen Metamorphose seien. In diesem Sinne bezeichnet Rudolf Steiner die Gliedmaßen als «die allermenschlichsten Organe». Deshalb sei es ein grundlegender Ansatz der Waldorfschul-Methodik, die Kopfarbeit über ein bloßes Aneignen von Wissen hinauszuführen zu Lernwegen, an denen der ganze Mensch beteiligt ist. Gelingt es, aus einem Prozess von Willensaktivität und seelischer Empfindung heraus Vorstellungen und Gedanken zu bilden, entwickelt sich eine andere Qualität des Denkens. Die Erfahrung zeigt, dass solche methodischen Prozesse des Aufweckens von Bewusstsein und Verständnis in jeder Entwicklungsstufe der Kinder neu gefunden werden müssen.

Bild: Pädagogische Sektion, z.V.g.

In der Unterstufe: Aus dem inneren Bild des Zuhörens entwickelt sich das Malen von Farben und Formen, bis sich aus der Verbindung zweier Gestalten, zweier Vokale der ‹neue› Laut des ‹EI› herauslöst. Wer miterlebt, wie Erstklässler Zusammenhänge von Bild, Bewegung, Farbe, Form und Laut entdecken, bemerkt: Der neu geformte und begriffene Laut schreibt sich aus eigener Aktivität ein. Jeder Begriff trägt deshalb seine eigene Biografie in sich. Das gilt auch für den Begriff ‹künstlerisch›. Die herkömmliche Vorstellung des Wortes muss hier erweitert werden. Das Künstlerische in dieser ‹Erziehungskunst› beschreibt eine erweiterte, den ganzen Unterricht umfassende Tätigkeit:

• Sie verwandelt einzelne Betätigungen zu einem künstlerischen Ganzen.

• Sie steigert die seelische Aktivität und willentliche Mitgestaltung.

• Sie führt aus dem Mittun zur Fokussierung der Aufmerksamkeit.

• Sie verbindet Sinneswahrnehmung mit gleichzeitiger Selbstwahrnehmung.

• Sie verwandelt äußeres Zeiterleben in individuell-situatives Zeiterleben.


Text bearbeitet von Wolfgang Held. Der ganze Text: Pädagogische Sektion

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