Das Wüstenmärchen

Da stand Ibrahim Abouleish unter dem weiten Sonnensegel, und bald tausend Ägypterinnen und Ägypter saßen mit aufgestützten Unterarmen auf den halbkreisrunden Lehmstufen des Amphitheaters von Sekem und lauschten ihm da unten im Rund.


«Es ist ein Märchen von Michael Bauer!», sagte mir der Eurythmist Christoph Graf, eine Bank weiter. Längst ist Sekem selbst – jetzt unter der Obhut von Helmy Abouleish – zu einem Wüstenmärchen geworden, und bald täglich kommen Gruppen oder einzelne Reisende und können im Gewürzlager riechen, in der Schule sehen und hören und im Restaurant schmecken, was aus dem Nichts geworden ist. Wohl keiner geht von diesem Ort ohne das gestärkte Vertrauen, dass aus Nichts so viel werden kann. Vor vier Wochen war ich wieder dort. In Ibrahims Familiengrabstätte denken wir an den Gründer. Da stellt unser ägyptischer Führer das große Koranbuch auf den Lesehocker und singt in der hohen Kunst der Koranrezitation eine Sure, die auch an der Wand eingraviert ist. Dabei beseelt sich das kleine Gewölbe und wird zum Kondensat, dessen, was Sekem bedeutet: eine gewaltige Beseelung. ‹Economy of Love› ist Helmy Abouleishs Mantram geworden, wenn er von der Zukunft Sekems, Ägyptens, Afrikas spricht. Die Beseelung bekommt Flügel – ein Wüstenmärchen, das mit ‹es wird einmal sein› beginnt.


Titelbild Die Pivot-Bewässerung auf der Sekem-Farm in Wahat führt zu runden Feldern

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