Wo die Waldorfpädagogik blüht

Die Waldorfbewegung ist in der Türkei noch jung. Nisan Eskicioglu arbeitet mit Lehrerinnen und Lehrern zusammen, die sich zur Waldorflehrkraft ausbilden lassen möchten. Ein Interview.


Nisan Eskicioglu, Bildquelle: Erman Güneş und Serkan Yılmaz

Wie bist du mit der Waldorfpädagogik in Berührung gekommen?

Ich habe in Venedig Bildende Kunst und Theater studiert und arbeitete 2013 für die venezianische Biennale. Dort sah ich Rudolf Steiners Tafelzeichnungen im Hauptpavillon. Ich erinnere mich, dass ich fasziniert war und mich fragte: Wer ist diese Person? Meine Neugier war derart geweckt, dass ich beschloss, meine Abschlussarbeit über ‹Kunst in der Waldorfpädagogik› zu schreiben. Zudem habe ich in der Nähe von Venedig eine Ausbildungsakademie für Waldorflehrkräfte gefunden. Nach dem Abschluss meines Studiums absolvierte ich dort eine zweijährige Vollzeit-Lehrerinnenausbildung. Meine erste Arbeit war als assistierende Kindergärtnerin an einer Waldorfschule in Bologna. Danach ging ich zurück in die Türkei, um Teil der ersten Initiative in Istanbul zu sein, dem ‹Nisan Imece Waldorfkindergarten›.

Wie sieht deine Arbeit an türkischen Schulen aus?

Wenn sich eine Lehrperson bereits für die Waldorfpädagogik interessiert, fließt das Wasser ganz problemlos. Lehrkräfte, denen es am Herzen liegt, sichere Räume für Kinder zu schaffen, spüren schnell Resonanz mit allem, was ich an Impulsen aus der Waldorfpädagogik einbringe. Oft sehe ich schon am nächsten Tag Veränderungen in der Atmosphäre des Klassenzimmers. Für mich geht es vor allem darum, der Lehrperson zu helfen, das Wesen eines Kindes zu verstehen sowie zu begreifen, was eine Lehrperson aus der Sicht eines Kindes ist. Ich konzentriere mich zudem darauf, Ehrfurcht vor dem Menschen und der Natur sowie eine gewisse Neugier auf das Leben zu wecken. Wenn ich den Lehrkräften dabei helfen kann, zu erkennen, dass ihr Job nicht nur ein Job, sondern eine Lebensweise ist, ist der Wandel voller Leichtigkeit. Meine Arbeit findet in der Regel parallel zur waldorfpädagogischen Ausbildung einer Lehrperson statt.

Welche Zukunft siehst du für die Waldorfpädagogik in der Türkei?

Wir sehen die Waldorfpädagogik bereits im ganzen Land blühen. Alanya hat eine Waldorfschule, in Istanbul gibt es mehrere Waldorfkindergärten und eine Waldorfgrundschule, die eine Familieninitiative ist. Es gibt viele Menschen, die sich für die Waldorflehrausbildung interessieren. ‹Eğitim Sanatı Dostları Derneği›, türkisch für Freunde der Erziehungskunst, leistet seit 2009 großartige Arbeit. Wir brauchen jedoch noch mehr Unterstützung durch türkische Familien. Und wir brauchen mehr Zeit, um die Waldorfpädagogik mit anderen Bereichen der Anthroposophie zu verbinden. Wir haben immer noch keine Eurythmisten oder anthroposophischen Ärztinnen, die mit den Schulen zusammenarbeiten können. Ich bin mir aber sicher, dass sie sich uns anschließen werden, wenn der richtige Moment gekommen ist. Dieses Land ist so interessant; voller Überraschungen und voller Lebensfreude. Eltern suchen in diesen Zeiten nach alternativer Bildung und möchten, dass sich ihre Kinder mit dem Leben auf neue Weise verbinden.


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Foto (Titelbild) Xue Li

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