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Stuhl

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Althochdeutsch heißt Stuhl stuol von (indogerm.) stha – stehen. Der Stuhl steht für mich. Er übernimmt gleichsam die Funktionen des Stehens und ist ein Abbild von mir, – er hat Armlehne, Rücken, Beine – aber kein Haupt. Er ist gleichsam das stützende Skelett. Ich selbst aber, der Mensch, bewährt sich in diesem Stützgehäuse als das, was ihn von allen anderen Wesen, Pflanzen wie Tieren, unterscheidet: als Embryo. Der Mensch ist das am wenigsten festgelegte Lebewesen, – er bleibt das, was die Tiere in der frühesten Zeit ihrer vorgeburtlichen Entwicklung ebenfalls sind, auch nach seiner Geburt: nackt, wehrlos, schwebend, embryonenhaft nach allen Richtungen hin offen. Ein Wesen von unerschöpflicher Möglichkeit.
— Hugo Kükelhaus, Aus: Dennoch heute, Heidenheim/Brenz 1956, S. 51.

Sitzend schwebt der Mensch zwischen Himmel und Erde – der Stuhl bezeugt urbildlich diese Haltung des Menschen zur Schöpfung.

Johanna Lamprecht


Zeichnung von Philipp Tok

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