Präsenz entfachen

Steht es in meiner Macht, etwas zu verändern?


«Wir sehen es an der Destabilisierung des Klimas, dem Absinken des Grundwasserspiegels, dem Verlust des Mutterbodens und dem alarmierenden Verlust der biologischen Vielfalt. […] in einem erhöhten Maß an Polarisierung, Ungleichheit, Rassismus, Gewalt und Krieg sowie in den Anfängen der klimabedingten Massenmigration», so beschreibt Otto Scharmer die großen Zeichen unserer Zeit – «einer Zeit des beschleunigten Zusammenbruchs und Kollapses». In seinem Beitrag ‹Schütze die Flamme›, nah dem bekannten Beuys-Zitat, geht es aber nicht, wie der Eingang vermuten lässt, um die kollektive Niedergeschlagenheit. Der mit-Professor und Begründer von Theorie U wagt einen ganz anderen, radikalen Vorstoß: Er nimmt den Zusammenbruch mitsamt der Depression als etwas Positives an. Nicht sarkastisch oder ignorant gegenüber dem vielfältigen Leid, aber mit einem Blick auf das Mögliche, auf die Freiheit, die bleibt. Er schaut auf die Veränderung des kollektiven Bewusstseins: 1. Verleugnung 2. Distanzierung 3. Depression 4. tiefes Spüren und Co-Kreativität. So liege gerade in der dritten Stufe, die vielerorts heute beschrieben wird, etwas sehr Gutes: Denn es sickert ins kollektive Bewusstsein, dass es so nicht weitergeht; die Phase des Verleugnens ist allmählich vorbei. Ab dem Punkt beginnt die Handlungsfähigkeit. Wie wird die Lücke zwischen besserem Wissen und eigentlichem Handeln von da an geschlossen? Neben einer langen Reihe von systembezogenen Schlussfolgerungen birgt Scharmers Aufruf die eigentliche Flamme: Wenn das Gewordene zerfällt, bleiben nur noch unsere Beziehungen. Im kleinsten Kreis gilt es das zu erlernen, was systematisch gebraucht wird: ‹radikale Präsenz› des Ich.


Mehr ‹Schütze die Flamme – Kreise radikaler Anwesenheit in Zeiten des Zusammenbruchs›, 7.9.2022

Foto Paul Bulai

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