Landschaft und Denken verflüssigen

An der zweiten Veranstaltung zu Leben und Gesellschaft im Umbruch widmeten sich Gerald Häfner und Herbert Dreiseitl dem Wasser und dessen ökologischer Belastung.


Die Erde werde immer trockener, so eröffnete Häfner das Gespräch und erinnerte daran, dass die nächsten Kriege, wie Harald Welzer in seinem Buch ‹Klimakriege› entwickelt, dem Wasser gelten werden. 34-mal, so beschrieb er den Kreislauf des Wassers, falle und steige es durchschnittlich im Jahr auf und nieder. Häfner erinnerte daran, dass jedes menschliche Leben im Milieu des Wassers heranreife und damit den evolutionären Weg vom Wasser auf das Land noch einmal biografisch vollziehe. Mit einem weiteren Vergleich zeigte er das Maß der Belastung des Wassers: Seit 2021 sei mehr Plastik in den Weltmeeren vorhanden als die Biomasse des Lebens. Dann folgte Herbert Dreiseitl, der als Städteplaner, Landschaftsarchitekt und Bildhauer weltweit mit Fragen des Wassers beschäftigt ist. Wir Menschen, so Dreiseitl, verdrängen das Wasser durch Städte- und Straßenbau. Das geschehe durch die Kanalisation und das Ableiten der Niederschläge, sodass weniger Wasser verdunste und sich somit der Wasserhaushalt der Landschaft verändere. Dabei sei nicht nur die urbane Landschaft entwässert, sondern auch das Denken. Für alle Lösungen, die heute notwendig seien, müsse das Denken, so Dreiseitl, sich verflüssigen, dynamischer werden. Berührend war seine Darstellung der Beerdigung des ersten verschwundenen alpinen Gletschers Pizol. Gerald Häfner schilderte aus seiner politischen Arbeit in München, dass der Isar 1979 beinahe alles Wasser zugunsten des Isarkanals und der industriellen Nutzung entnommen wurde, sodass das Isarbecken zeitweise nur noch über ein Rinnsal verfügte. Als mit Artikeln nichts zu erreichen war, organisierte die frisch gegründete Partei Die Grünen eine Eimerkette, um Wasser vom Kanal in die Isar zu befördern. Diese Bildsprache kam auf die Titelseite großer Zeitungen, und tatsächlich gelang es, die Verträge mit den privaten Wassernutzern neu aufzusetzen und der Isar in München ihr Wasser wiederzugeben.


Die Vorträge finden sich online auf goetheanum.tv. Der Beitrag von Herbert Dreiseitl wird im Sommer im ‹Goetheanum› ausführlich publiziert.

Bild: Aus dem Vortrag von Herbert Dreiseitl

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare