«Zerstörte Häuser, Spülbecken, die in Baumwipfeln hängen, unzählige Autowracks und eingestürzte Brücken. Es ist ein Bild großer Zerstörung, das sich einem bietet.» So schilderte Bernd Ruf, Gründer der Notfallpädagogik, seine Eindrücke aus dem Hochwassergebiet im Norden von Rheinland-Pfalz Ende Juli. Dieser Akuteinsatz in der Nähe von Ahrweiler ist auch für ihn außergewöhnlich. «Solche Bilder habe ich aus Deutschland in meinem ganzen Leben nicht gesehen, dieses Ausmaß der Katastrophe geht einem sehr nahe.»
Gemeinsam mit seinem Team versuchte der erfahrene Notfallpädagoge, die Familien vor Ort bei der Verarbeitung der traumatischen Erlebnisse zu unterstützen. Dass sich die Menschen noch in einer Phase der Schockstarre befanden, zeigte sich an Symptomen wie etwa Schlaflosigkeit, Ängsten und Konzentrationsproblemen. Aufräumarbeiten und aktives Handeln trugen immerhin dazu bei, dass sie sich nicht hilflos oder ohnmächtig fühlten. Es herrschte zudem eine große Solidarität unter den Menschen. Dass auch die Kinder unter der Situation und den Ereignissen litten und dringend Hilfe bei der Bewältigung des Erlebten brauchten, wurde deutlich durch Regressionssymptome wie Bettnässen oder andere Beschwerden. «Die äußere Zerstörung ist immer auch ein Bild für die inneren Schäden, die bei Kindern und Erwachsenen angerichtet werden. Daher ist es besonders wichtig, ihnen einen geschützten Ort, einen sogenannten ‹Child Friendly Space›, zu bieten», erklärte Bernd Ruf. Ein Waldorfkindergarten wurde von dem notfallpädagogischen Team daher als Basis für die Arbeit in den nächsten Wochen eingerichtet. Im Außenbereich konnten dort einige Jungen und Mädchen betreut werden, die aus den umliegenden verwüsteten Ortschaften kamen. Von einer Halbtageseinrichtung wird der Kindergarten nun unter traumapädagogischen Gesichtspunkten in eine Ganztagesstruktur umgewandelt, um den Kindern die Belastung bestmöglich nehmen zu können und den Eltern dabei gleichzeitig Entlastung zu bieten.
«Es gehört zum Konzept, dass die Eltern mit uns Gespräche führen können. Wir geben ihnen wesentliche Ratschläge und Methoden zur inneren Stabilisierung an die Hand, die sie für sich selbst und für ihre Kinder anwenden können», so Bernd Ruf. «Wir werden noch viele Wochen hierbleiben und den Eltern, Kindern, Jugendlichen und Erziehenden mit unserer Arbeit dabei helfen, mögliche Traumafolgestörungen zu verhindern.» Für die Betroffenen und Hinterbliebenen in den vom Hochwasser betroffenen Regionen wird es sicher noch ein langer Weg sein, die furchtbaren Geschehnisse zu verarbeiten.
Quelle: Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners
Titelbild: Autowrak, Bildquelle: Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners