Kleiner Nachruf auf den Frauentag.
Wenn ich von meinen Erfahrungen in anthroposophischen Kulturräumen ausgehe, würde ich feministische Perspektiven innerhalb der Anthroposophie eher verneinen. Wie in der restlichen Gesellschaft spiegeln sich auch in dieser ‹Szene› die üblichen Muster wider. In Form von konzentrierter Macht bei Männern – ja, meistens auch älter und eigentlich immer hellhäutig. Aber nicht nur so, auch in Form der Bilder, die auf das ‹andere Geschlecht› geworfen werden. Meistens ein archetypisches Mutterbild, dem gerade die Pionierinnen der anthroposophischen Bewegung wenig entsprochen haben. Nicht selten bin ich gerade von Frauen auf meinen ‹natürlichen Platz› zurückverwiesen worden. Es waren interessante Momente, in denen ich begann, die schablonenartigen Bilder, die wir einander zuspielen und aneinander weitergeben, klarer zu sehen und zu verstehen. Es ist wunderbar, dass durch Anthroposophie eine Pädagogik entstanden ist, die den Umraum, in dem Kinder aufwachsen, würdigt und in den Vordergrund stellt; die Zeit geben und Harmonie entwickeln will. Aber die Verantwortung dafür allein bei den Müttern zu suchen, spiegelt im Kleinen exakt, an was es im Großen mangelt: Menschen, die Raum für etwas außerhalb ihrer selbst schaffen, die wahrnehmen können, was gebraucht wird, und es geben wollen. Menschen, die Zeit haben wollen, die da sind und nicht nur im Blick auf die eigene Agenda leben; die also das sogenannte weibliche Prinzip in die Welt bringen. Wären das nicht nur frauliche, sondern menschliche Qualitäten, die wir in allen Menschen und in allen Positionen schätzen würden, anstatt immer wieder fehlende Empathie und extreme Dominanz mit Einfluss zu belohnen, dann könnte ein heilsamer gesellschaftlicher Prozess einsetzen. Feminismus beleuchtet Machtverhältnisse und zeigt einen Missstand auf, der allen schadet. Feminismus strebt danach, Harmonie herzustellen und Individuen frei zu lassen. Es braucht diesen Ausgleich, um als Gesellschaft und als Individuen geistig-schöpferisch zu sein. Davon sollten gerade die ‹Erb*innen› der Anthroposophie viel verstehen.
Foto Joel Muniz
…danke, Franka Henn, für diesen Beitrag! Und dass es nicht „die bösen Männer“ sind, die uns Frauen an vielem hindern. Frauensolidarität, Frauen-Netzwerke, schwesterlicher Zusammenhalt – wie oft habe ich das in „unseren Zusammenhängen“ vermisst!
Aber auch hier, wie Sie schreiben: Die üblichen Muster, wie im Rest der Gesellschaft… Obwohl wir gerade mit der Anthroposophie und dem zugrunde liegenden Menschenbild alle Möglichkeiten hätten, die Machtverhältnisse in Richtung Ausgleich zu verändern!
Wo sind die tatkräftigen, teamfähigen Frauen???
U.L.