Freiheit im Dienste des Ganzen

Ein Einblick in die Intentionen des internationalen Youth Initiative Program (YIP). Im Gespräch mit Reinoud Meijer, Mitbegründer, Mitorganisator und derzeit Präsident der YIP Association.


Wie hat sich YIP vom Gründungsimpuls zu dem heutigen Programm entwickelt?

Das YIP wurde am Goetheanum gegründet. In unseren Statuten steht sogar, dass es in der Jugendsektion in der Dorneckstraße 1 begann. Diese Idee entstand aus den Fragen ‹Kann man lernen, während man tut? Kann man tun, während man lernt?›, wobei das soziale Engagement im Mittelpunkt steht. Wir leben heute in einer Zeit der Spezialisierung, das heißt: mehr Wissen über weniger. Das ist eine Zeit lang sinnvoll. Aber irgendwann muss ein Umdenken stattfinden: Wie hängt diese Spezialisierung jetzt mit dem Ganzen zusammen, aus dem sie hervorgegangen ist? Die Tendenz geht dahin, dass die Jugendlichen so schnell in eine bestimmte Richtung trainiert werden, dass kein Raum mehr zum Nachdenken bleibt, weil die nächste Aufgabe ansteht. In der Bildung gibt es heutzutage keine Pausen mehr. Auch, dass man nur noch intellektuell angesprochen wird. Nicht so sehr auf der sozio-emotionalen Ebene oder auf der praktischen.

Der Gründungsgedanke von YIP ist in gewisser Weise eine Reformulierung des Mottos der Sozialethik von Rudolf Steiner. Die Welt ist ein zusammenhängender, lebender Organismus – und jeder Teil des Organismus ist für dessen Gesundheit souverän und auf seinen Dienst am Kollektiv angewiesen. Das Ganze wird nur dann gesund sein, wenn die Rolle aller Einzelnen in diesem Kollektiv gefunden und erfüllt werden kann. Und umgekehrt.

Was sind die aktuellen Fragen der Jugend, die im Programm integriert sind?

Was ich als Trend sehe, besonders in der westlichen Welt, ist die große Auswahl. Das ist eigentlich nicht hilfreich, weil man alles werden kann. Das Problem ist der Moment der Entscheidung – wenn ich zu einer Sache Ja sage, sage ich vielmals Nein. Und wenn man keine Vorstellung davon hat, wer man ist oder wo die Bedürfnisse der Welt vielleicht das treffen, was man anbieten kann, dann ist es eine ziemlich schwierige Entscheidung, weil sie sich nur als Vermutung herausstellt. Das spricht wiederum für die Notwendigkeit, eine Pause zu machen und den Blick zu weiten. Eine weitere Herausforderung für junge Menschen ist die Wahrnehmung der Realität als Folge der Digitalisierung. Es gibt so viel Abstraktion, dass die Realität fast unheimlich wird. Deshalb integrieren wir sehr rudimentäre Lebenskompetenzen und Aktivitäten in das Programm – tägliche Rhythmen, gemeinsames Kochen und Putzen, Gartenarbeit, Singen und Kunst.

Zusammengefasst: warum YIP?

Im Mittelpunkt von YIP stehen Freiheit und Souveränität – eine Ermutigung, eine Erlaubnis und eine Möglichkeit, Fragen zu stellen, zu reflektieren und zu handeln. In Bezug auf das Ganze und im Dienst am Ganzen.


Bild Reinoud Meijer (Ytterjärna, März 2023), Foto: Nicole Asis

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