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Was sagt der Brand?

Notre-Dame verbrannt, Teil eines Denkmals, Symbol eines Landes und seiner Geschichte, zwischen Religion und Monarchie, technischer Kompetenz und künstlerischem Sinn. Jenseits des spirituellen und historischen Emblems wirft diese Tragödie die Frage nach unserer Beziehung zum Geist heute auf.


Welche Zukunft, welche Werte in Frankreich und Europa? Dieses Denkmal ist ein Schatz der Zivilisation. Welche neue Zivilisation wollen wir aufbauen? Soll diese Kathedrale wieder aufgebaut werden? Ja, sicherlich, aber in welchem Geist? Touristisch, symbolisch, vergangenheitsbezogen? Ergibt sich hier nicht eine Gelegenheit für eine gemeinsame Befragung unserer gemeinsamen Zukunft? Und auch unserer künstlerischen Produktion?

Ich glaube, dass der Bau einer Kathedrale heute nicht mehr zivilisationsstiftend ist. Natürlich haben wir gute Handwerker, Techniker und Spezialisten. Sie werden in der Lage sein, Tradition und Innovation kompetent und schnell mit neuen digitalen Technologien zu verbinden: aber das wird die große Lücke, die für uns aufbricht, nicht füllen. Was dadurch stattfinden wird, ist eine identische, durch kollektiven Schmerz finanzierte Rekonstruktion – für eine nationale Erweckung: nicht interessant! Andererseits ist der Kampf für die Menschenrechte in der Ökologie – unser gemeinsamer natürlicher Tempel – und für die Würde in der Arbeit viel dringender. Eine Sozialarchitektur muss geschaffen werden, indem die Bedeutung der Ware, des Geldes, des Grundstücks, des medizinischen und pädagogischen Aktes neu hinterfragt werden … Durch die Schaffung neuer Institutionen, neuer Wege der Produktion und des Schaffens auf menschlicher Ebene! Ja, dort wird etwas möglich, durch einen Akt des konstruktiven Widerstands, sowohl individuell als auch kollektiv, getragen von einem verinnerlichten Bewusstsein.


Foto: Tobin Meyers, Türklinke am Goethea­num, Fotoreihe 2019, Heizhaus

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