Was die Pflanze ist, sei du es wollend

Landwirtschaftliche Individualität fragt nach dem Ich. Ich beginne mit dem, was es in keiner anderen Landwirtschaft gibt: dass man als Gärtner, als Landwirtin ein persönliches Verhältnis zum Dünger entwickeln sollte.


Man denke sich eine Kompostmiete, die nicht ganz abgedeckt ist, und ohne zu überlegen, macht man sich mit der Heugabel an die Arbeit. Alles, was Sie tun, ist jetzt motiviert aus dem, wie Sie fühlen, wo es hingehen soll. Das ist dieses persönliche Verhältnis. Wir haben einen Kulturboden und ihm wachsen die Kulturfrüchte. Ein Kulturboden ist ein Boden, der bearbeitet ist, der mit Luft und Licht in Verbindung gekommen ist. Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Düngung sind dabei die drei Aspekte, auf die es ankommt. Daraus wird das Futter, das die Kuh als Wiederkäuer aufnimmt, eine Welt voller Licht und Klang, die dann 22 Stunden in der Kuh verbleibt. Da geschieht eine Analyse. Dieses Tier hat eine Wahrnehmung vom Ganzen, aus dem das Futter entstanden ist, und verbindet sich damit.

Das Tier ist nicht nur großartiger Bioreaktor mit vielen Enzymen, sondern jetzt kommt etwas zustande, was wie eine Ichtätigkeit ist. Aber das Tier gebraucht das nicht. In gewisser Weise sind die Wiederkäuer die höchstentwickelten Tiere, und wir sollten es den Indern gleichtun und die Kuh verehren. Der Mist, den die Kuh aussondert, ist noch kein Dünger. Wenn der Fladen gefallen ist, müssen wir das, was in der Kuh begonnen hat, fortsetzen. Die biodynamische Landwirtschaft geschieht nicht nur auf der Tagesseite, sondern da gibt es eine Nachtseite, eine dunkle Seite. Sie betrifft die Herstellung des Düngers. Wir bringen den Mist dahin, wo das Futter entstanden ist. Es ist ein unterirdischer Strom, wo jetzt das wächst, was wieder für die Tiere ist. Und es entstehen Früchte, die uns nähren.

Kompostieren und Züchten aus dem Ich

Das hängt mit dem richtigen Düngen zusammen, mit der Wurzelpflege der Pflanzen. Unsere Bemühung ist es doch, ständig den belebten Boden zu vertiefen, die Dauer der Fruchtbarkeit weiterzuentwickeln. Letztendlich ist die ganze Düngungsfrage eine Frage des Ich, eine Frage nach langfristiger Fruchtbarkeit.

Biodynamischer Pflanzenbau ist immer auch Züchtung. Immer geht es darum, dass wir Pflanzen brauchen, die besonders geeignet sind. Und die finden wir idealerweise in dem, was wir haben. Wir haben einen Bestand und wir wissen, er könnte ein bisschen besser sein. Da nehmen wir die Zukunft ins Auge. Das ist wie die Kunst des Kompostierens eine Qualität des Ich. Es ist eine Suche und mehr ein Finden von dem, was weiterführt. Züchtung ist eine Form des Sehens. Dabei geht es um ein Nach-innen-Nehmen und ein Wieder-Heraussetzen in dem, was man gefunden hat. Natürlich brauchen wir die Hilfe professioneller biodynamischer Züchterinnen und Züchter, und doch gehört zum Pflanzenbau Züchtung immer dazu.

Jugendlichkeit der Tiere und Reife der Menschen

Bei der Züchtung der Haustiere geht es darum, die Perfektion des Tieres ein bisschen aufzulösen, indem wir sie verjugendlichen. Wir brauchen Tiere, die gesund und vital sind, die langlebig sind und als alte Tiere jugendlichen Charakter haben. Das ist der dritte Punkt. Der letzte Punkt betrifft das, was Rudolf Steiner den jungen Menschen nach dem Kurs über Düngung und Landwirtschaft schildert. Er kommt zu der Formel: «Sie müssen das Kleine in Andacht nehmen.» Das hat religiösen Charakter. Mit fühlendem Herz denken und gestalten. Das bedeutet Kontinuität! In Andacht nehmen wir die Prozesse, wenn wir sie wiederholt tun. Da müssen wir Formen finden, uns gegenseitig unterstützen, den Gestaltungswillen zurücknehmen, und dann wird einem eine Einsicht geschenkt. Plötzlich wird klar, wie das werden muss, was man 25 Mal in Andacht genommen hat. Das Ich erhält sein Wesen, womit es sich verbindet, schreibt Rudolf Steiner in der Theosophie. Also: Mit was habe ich mich heute verbunden? Mit was will ich verbunden sein? Das werden wir entdecken als Gestaltungsinstrument unserer Landwirtschaft. Dazu brauchen wir einen weichen, einen sanften Willen. Diesen Willensstrom drückt Friedrich Schiller in einfachen Worten aus: «Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend – das ist’s!»


Titelbild Landwirtschaftliche Tagung 2024, Foto: Xue Li

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