Der Wunsch, eine Brücke zu jenen zu schlagen, die unternehmerisch mit Anthroposophie arbeiten, hat vor drei Jahren Georg Soldner und Gerald Häfner mit ihren Kolleginnen und Kollegen der Goetheanumleitung dazu gebracht, die World Goetheanum Association zu gründen, ein Forum von Verantwortlichen aus Unternehmen und Initiativen, die aus der Anthroposophie hervorgegangen sind. Mit Andrea Valdinoci als eigenständigem Geschäftsführer wird die Initiative jetzt flügge. Ein Gespräch dazu. Wolfgang Held stellte die Fragen.
Drei Jahre ist ein Bogen – wie hat er begonnen?
Georg Soldner Der Grundgedanke ist, dass sich aus der Anthroposophie viele Institutionen und Betriebe entwickelt haben, vom Demeter-Bauernhof über heilpädagogische Einrichtungen bis zur gls-Bank und der Drogeriemarktkette dm. Dort arbeiten Anthroposophinnen und Anthroposophen mit vielen anderen zusammen, und zusammen realisieren und entwickeln sie Anthroposophie dort. Sie sind mit der Welt verbunden, aber oft sind die Verbindung und die Rückkopplung zum Goetheanum nicht da. Das wollten und wollen wir ändern, weil hier ja wertvolle Impulse ans Goetheanum zurückfließen können und weil diese zur Weiterentwicklung der gesamten Anthroposophie unersetzbar sind. Es geht in erster Linie also nicht um die wirtschaftliche Förderung des Goetheanum, sondern darum, diesen Kranz anthroposophischer Initiativen in der Gesellschaft – durch sie ist die Anthroposophie mit der Welt zusammengewachsen und ist viel Wertvolles entstanden – intensiver in einen Austausch mit dem Ursprungsort zu bringen. Es ist kein Zufall, dass in den drei Jahren immer wieder das Herzkreislaufsystem als Bild genannt wurde. Da verstehen wir ja das Herz nicht als Pumpe, sondern wissen, dass die entscheidende Leistung von der Peripherie erbracht wird, von der das Blut zum Herzen zurückströmt.
So seid ihr mit der Idee gestartet – und wie antwortet die Peripherie?
Gerald Häfner Wir sind auf ein doppeltes Bedürfnis gestoßen: Einmal auf den Wunsch, in den Praxisfeldern die Verbindung zu stärken zum Ursprungsort der Anthroposophie und zu einer anthroposophischen Forschung, die sich in einer komplexen Welt als zeitgemäß und handlungsmächtig erweist. Gleichzeitig zeigt sich aufseiten des Goetheanum das Bedürfnis, sich mit der Seite der Anthroposophie zu verbinden, die im Leben steht und sich dort bewährt. Was droht hier, wenn beides nicht zusammenkommt? Initiativen, die sich im Getriebe der äußeren Forderungen verlieren, und ein Goetheanum, das abgehoben, fern der Welt ein Eigendasein führt. Um diesen Brückenschlag geht es uns. Wir sind dabei kein Verein, kein Klub, sondern eine Partnerschaft mit doppelter Blickrichtung: Es geht uns um eine Partnerschaft für den einzelnen Menschen, der in einer sich wandelnden Welt als Verantwortlicher, als Gestalterin gerechte, menschliche Verhältnisse schaffen will. Es geht uns um den gemeinsamen Quellpunkt Anthroposophie, darum, wie sie heute lebt, zu realisieren und zu beschreiben ist. So fragten wir also Leiterinnen und Leiter von Einrichtungen und Unternehmen und haben, so würde ich sagen, eine überwältigend positive Resonanz erhalten. «Ihr kommt jetzt erst? Auf solch ein Anklopfen haben wir gewartet», schwang bei mancher Reaktion mit. Wir können einander so viel geben – diese Überzeugung hat in diesen drei Jahren der Association Luft unter die Flügel gegeben. Und der Nachsatz: «… wenn wir nur zusammenkommen und miteinander arbeiten», hat dabei für den Ernst, den Nachdruck gesorgt.
Wenn eine Idee auf die Wirklichkeit trifft, dann wandelt sie sich. Wie war es hier?
Häfner Die Sache hat hier, vom Goetheanum aus, ihren Anfang genommen. Wir haben die Idee in einem Projektteam der Goetheanumleitung konzipiert und dann tastende Bewegungen und Gehversuche zu den Verantwortlichen der Institutionen gemacht. Was wir gelernt haben: Das Ganze kann nur laufen oder sogar anfangen zu fliegen, wenn es jetzt nicht mehr ‹unser Ding› ist, sondern die gemeinsame Sache aller, die sich zu dieser Partnerschaft verpflichten. So sind dann neue Formate entstanden: zum Beispiel kleine Treffen, Gespräche zwischen einzelnen Partnerinnen und Partnern. Was so entstanden ist, stand in keinem Konzept, keinem Plan, sondern ist aus gemeinsamem Leben gewachsen. Deshalb haben Georg Soldner, der das Projekt zunächst federführend begleitete, die anderen und auch ich beschlossen, aus der Projektleitung einen Schritt zurückzutreten. Wir haben einen Geschäftsführer und mit ihm ein Team gefunden, die nun die Association mit den Partnern und dem Goetheanum als eigenes Projekt betreiben. Das ist ein neuer Schritt, der aus dem folgt, was wir in den letzten Jahren hier gelernt haben.
Soldner Uns war wichtig, dass dieses Projekt von Anfang an auf eigenen wirtschaftlichen Beinen steht und nicht den Goetheanumhaushalt belastet. Deshalb haben wir zuerst die Partnerschaft mit Stiftungen gesucht und glücklicherweise gefunden. Im Mai 2018 haben wir dann gemeinsam mit den 70 Partnerinnen und Partnern, vertreten durch ihre Verantwortlichen, eine Charta geschrieben. Das war ein soziales Kunstwerk und bildet die Grundlage unserer Arbeit. Dann haben wir uns letztes Jahr differenziert, in einen lokal arbeitenden Initiativkreis und einen international besetzten Vertrauenskreis, der für die finanziellen und personellen Fragen zuständig ist. Jetzt haben wir mit Andrea Valdinoci einen Geschäftsführer gefunden, worüber wir sehr glücklich sind. Im Februar hat er die Zügel in die Hand genommen. Gleichzeitig sind neue Partner hinzugekommen und die Association ist gewachsen. Die Coronazeit hat dies natürlich nicht beschleunigt.
Andrea Valdinoci In meinen Gesprächen mit den Mitgliedern der Association konnte ich deutlich sehen, dass sie diese Veranstaltung tatsächlich als die ihre empfinden und sich deshalb über die Initiative von Georg, Gerald und den anderen Mitgliedern der Goetheanumleitung freuen. Sie sind aber auch froh darüber, dass sie die Initiative jetzt freigeben. Jetzt hat das Goetheanum 160 Partner, und das sind 160 selbstbewusste ‹Mitglieder›. Dabei ist allen bewusst, dass das Goetheanum auf Mittel angewiesen ist. Diese Notwendigkeit haben wir mit auf der Rechnung, haben einige Mitglieder im Blick. Die Mehrzahl der Mitglieder möchte aber gemeinsam Projekte entwickeln. Können wir zum Beispiel als pharmazeutische Einrichtung mit Schulen, mit landwirtschaftlichen Betrieben und eben dem Goetheanum etwas auf die Beine stellen, was es so noch nicht gab? Aufgrund dieser neuen Gemeinschaft Schätze zu entdecken und zu heben, darum geht es, das ist mein Eindruck.
Soldner Um dieser Schätze willen haben wir das World Goetheanum Forum gegründet, als Ort des Austausches unter allen, die aus der Anthroposophie schöpfen und in den Lebensfeldern tätig sind. Es ist eine lebendige Sache geworden, weil man dort den Menschen begegnet, die, wie man selbst, aus den spirituellen Grundlagen der Anthroposophie arbeiten und daraus eigene Ideen und Initiativen in die Praxis umsetzen. Solche Persönlichkeiten, die dann an verantwortlichen Stellen in ihrer Institution stehen, fühlen sich in ihrem eigenen Betrieb manchmal relativ allein, denn viele ihrer Kolleginnen und Kollegen teilen nicht unbedingt diesen eigenen inneren Kompass. Für diese Persönlichkeiten ist deshalb ein solcher Austausch wichtig, vor allem in Zeiten wie heute, wo einiges davon abhängt, ob man die richtigen Urteile zu fällen in der Lage ist. Welche Chancen gilt es zu erkennen, welche Gefahren zu bemerken? Als zweite Gruppe haben wir junge Menschen eingeladen, denen für ihre berufliche Ausrichtung Anthroposophie wichtig ist.
Was heißt das für die Hochschule am Goetheanum?
Gerald Häfner Sie hat die Esoterik als ihren Kern und greift in ihren Sektionen weit aus in die Welt. Wir sind also mitten in der Freien Hochschule. Sie pflegt ja keine Lehre, die der Welt entrückt ist, sondern die in dieser Welt von heute zu Hause ist. Mehr noch: Ihre Esoterik inspiriert zum Handeln und will Wirklichkeit werden. Das verbindet Assoziation und Hochschule, dass wir immer mehr den realen Geist in der Welt suchen. Dabei wird immer wichtiger, zur rechten Zeit den Menschen zu begegnen, die einen jetzt in den eigenen Aufgaben weiterbringen. Mit denen ins Gespräch zu kommen, die in ähnlichen Fragen stehen, mit ähnlich großen Aufgaben zu kämpfen haben, hören wir von unseren Mitgliedern, war vielen von ihnen in früherer Zeit am Goetheanum nicht möglich.
Es geht um die persönliche Kraftentfaltung. Wir suchen Teilnehmer, die die Inhalte nutzen wollen und nicht als Bildungsgut verstehen. Es ist ein Forum für Menschen mit Initiative und in Verantwortung.
Wo liegen die nächsten Entwicklungsschritte?
Valdinoci Für mich ist der ganze Ort ‹Goetheanum› ein Ort, wo Menschen gemeinsam daran arbeiten, dieses Allgemeinmenschliche zu entdecken, zu pflegen, sich darum zu kümmern. Wir sind ja in Kooperation mit allen Sektionen, besonders mit der sozialwissenschaftlichen Sektion. Dabei ist die Association eine Stimme in diesem Konzert, die vor allem danach fragt, wie die Dinge in die Tat kommen. Hier haben wir noch nicht so viel vorzuweisen, aber erste Schritte passieren: Kürzlich haben wir uns mit Helmy Abouleish zusammengesetzt, weil er mit Sekem unter dem Titel ‹Ökonomie der Liebe› ein völlig neues Zertifizierungskonzept entwickelt hat. Das lebt ja davon, dass eine größere Gemeinschaft sagt: «ja, das wollen wir», oder sich auch daran reibt! Das kann man ja nicht als Einzelner oder Einzelne machen. Da hat solch eine Gemeinschaft von 160 Partnern durchaus eine Chance, Themen in Bewegung, Schwingung zu bringen. Meine Aufgabe und auch jene des Teams hier ist zuerst die Aufgabe, wahrzunehmen, was in den Unternehmen und Initiativen los ist? Wo können wir zu einer Vernetzung beitragen? Mich erstaunt immer wieder, welche Kraft aus Zuschauen, Zuhören, sich Interessieren wächst.
Soldner Das gilt natürlich auch wechselseitig. Wir merken, dass die Association dazu beiträgt, alte Bilder vom Goetheanum aufzulösen. Uns sind in den ersten zwei Jahren Bilder und Vorstellungen über das Goetheanum begegnet, die sich auf viel frühere Zeiten beziehen. Jetzt sind wir in der Phase – und Andrea ist jemand, der das in seiner Authentizität verkörpert –, in der wir diese Bilder loslassen und schauen: Was brauchst du vom anderen? Gerade in der aktuellen Coronakrise bekommen wir Signale des Vertrauens und weniger «jetzt muss ich mich erstmal um mich kümmern».
Was macht die Association in der Coronazeit?
Valdinoci Da hilft uns der Verbund mit den Sektionen. So haben wir das, was da zum Verständnis des Virus und seiner Folgen gedacht und geschrieben wurde, wie Georgs früher Text zu Corona oder Geralds Text zur Demokratie, an unsere Kreise weitergegeben. Da gab es freundliche Kritik: Könnt ihr uns nicht schneller und umfassender über die innere Seite der Krise ins Bild setzen? Es sind jetzt vor allem persönliche Gespräche, durch die wir die Vernetzung weiter ausbauen.
Häfner Dass in dieser Zeit, in der ja wohl alle nach Orientierung suchten, vom Goetheanum nüchtern-besonnene und zugleich tiefgehende Gesichtspunkte angeboten wurden – und zwar interdisziplinär –, das ist sehr gerne aufgenommen worden. Das war eine Feuerprobe dieser neuen Partnerschaft. Es geht also um dieses Wechselspiel: dass wir hier in der Hochschule Perspektiven und Orientierung entwickeln, was den Institutionen helfen kann, und dass uns zugleich der unternehmerische Geist und Weltbezug der Institutionen und Unternehmen hilft, engagierter und praxisnäher zu sein. Und es ist ja neu, was in der Coronazeit geschehen ist: dass das Goetheanum sich interdisziplinär öffentlich zu akuten Zeitfragen äußert. Das ist, scheint mir, mit durch die Form der neuen Zusammenarbeit hervorgerufen worden, dass wir auch im Goetheanum neue Arbeitsformen entwickeln. Diese Zeit hat ja uns alle so innehalten lassen, um nun konzentrierter und vielleicht auch energischer zu fragen, auf was es heute ankommt, im persönlichen Leben, in der Wirtschaft, in der Politik. Das hat uns dazu gebracht, das nächsten World Goetheanum Forum Ende September unter den Titel ‹Was zählt?› zu stellen. Wir leben in einer Welt, in der alles mit Zahlen erfasst und bewertet wird – wobei oft diese Zahlen die Wirklichkeit mehr verstellen als offenbaren. Deshalb fragen wir umgekehrt: Können wir unsere Art des Denkens und Rechnens so verwandeln, dass sich das Wie und Was unseres Wirtschaftens und Lebens bis in Bilanzen und Abschlussrechnung hinein wirklichkeitsgemäß darstellen lässt?
Es ist kein Zufall, dass in den drei Jahren immer wieder das Herzkreislaufsystem als Bild genannt wurde. Da verstehen wir ja das Herz nicht als Pumpe, sondern wissen, dass die entscheidende Leistung von der Peripherie erbracht wird, von der das Blut zum Herzen zurückströmt.
Valdinoci Was sich die Partner der Association wünschen, wenn sie ans Goetheanum kommen, ist weniger, sich zurückzulehnen und kluge Dinge zu hören, als in Aktion zu kommen. Deshalb stehen beim Forum die Arbeitsgruppen im Vordergrund und natürlich die Impulsbeiträge, die notwendig sind. Ich hoffe, dass man schon dieses Jahr die Balance von beidem wird erleben können. Wir haben es so angelegt, dass sich die Teilnehmenden in einem Teil des Forums nach Themengebieten, wie bei der Gliederung der Sektionen, arbeiten und man dann in einem anderen Teil sich interdisziplinär aufteilt in übergeordnete Fragen. Die Herausforderung dabei ist, dass aus dem speziellen und dem allgemeinen Teil ein ganzes Bild entsteht.
Kommen die Teilnehmenden auf Einladung oder sprecht ihr alle an?
Valdinoci Es ist ein Kreis, der sich entwickelt hat. Wer sich bei uns meldet, ist aber herzlich eingeladen, sofern er oder sie unternehmerisch unterwegs ist und einen Bezug zur Anthroposophie hat oder sich dafür interessiert.
Häfner ‹Unternehmerisch› reicht über den Bereich des Wirtschaftens hinaus. Es kann auch bedeuten, dass man eine Schule aufbaut, eine Einrichtung leitet, eine Bürgerinitiative gründet. Es geht um die persönliche Kraftentfaltung. Wir suchen Teilnehmer, die die Inhalte nutzen wollen und nicht als Bildungsgut verstehen. Es ist ein Forum für Menschen mit Initiative und in Verantwortung.
Habt ihr die Herausforderungen der Unternehmen im Auge, wie Personalführung oder Kommunikation, oder geht es euch, wie es Georg Soldner vor den Mitarbeitenden kürzlich beschrieb, um die Transformation der Gesellschaft?
Soldner Wir leben in einer Welt, in der Freiheit und damit unternehmerische Verantwortung bestimmend sind. Das gilt für alle zivilgesellschaftlichen Bereiche. Wir haben schon betont, dass das zum Beispiel ebenso jemanden einschließt, der oder die in einer heilpädagogischen Institution verantwortlich tätig ist, und wir freuen uns, dass wir auch da Partner gefunden haben. Die Frage deutet schon an, dass unsere Partner in den unterschiedlichen Lebensfeldern oft vor ganz ähnlichen Herausforderungen stehen, etwa Personalentwicklung und -führung. Was den biografischen Hintergrund unserer Partner betrifft, so gehören zur Association Menschen, die aufgrund ihrer spirituellen Schulung und Haltung sich in die Praxis hineingestellt haben, und ebenso solche, die in der Praxis aufwachen für die Bedeutung spiritueller Perspektiven für ihr Tun. Beide Wege sind wichtig und legitim. Deshalb lautet die Antwort auf die Frage: sowohl als auch. Die Welt zu verändern bedeutet immer auch, sich selbst zu verändern. Das betrifft uns auch als gesamtes Goetheanum. Wir wollen uns prüfen: Was ist relevant für die Welt, was zählt für die Welt? Um das ganz praktisch zu handhaben, fördern wir von der Association auch einzelne Projekte, die wie ein Leuchtturm ein Beispiel für diese Transformation sind.
Häfner Der viel zitierte Gegensatz, ob wir die Welt oder uns selbst ändern wollen, sollte für uns eigentlich nicht existieren. Das ist, wie ich meine, das Wesentliche, das die Menschen verbindet, die sich geistig zum Goetheanum stellen. Es geht darum, dass man nicht wie in manchen Bewegungen meint, allein die äußere Wirklichkeit verändern zu können, oder wie manche spirituellen Strömungen meint, das Heil in der eigenen Vervollkommnung zu finden, sondern dass wir uns bewusst sind, dass beide Veränderungen Hand in Hand gehen müssen, sonst finden sie nicht statt. Das ist, wonach wir auch suchen bezüglich der Form unserer Begegnung im Forum. Dieser Zusammenklang ist heilsam für das Goetheanum wie für die Landschaft der anthroposophischen Institutionen. Wir sind ja fortwährend in der Gefahr, nur noch über den Schulungsweg zu sprechen oder uns umgekehrt im ökonomischen Überlebenskampf gefangen zu sehen. Da gilt es, immer wieder die Mitte zu finden. Uns über scheinbar weite Strecken hinweg die Hand zu reichen und gemeinsam zu fragen, was heute zählt, worauf es ankommt, kann dabei helfen.
Welche Unterstützung wünscht ihr euch?
Valdinoci An alle geht der Ruf, mitzuwirken, damit wir die richtigen Kontakte zustande bringen und die richtigen Menschen finden. Kooperation und Assoziation ist ja nicht etwas, in dem wir sehr geübt sind. Das ist Neuland. Da kommt es aus meiner Sicht darauf an, die richtigen Menschen miteinander zu verbinden. Und das kann jeder und jede wahrnehmen und unterstützen. Es braucht die Konstellationen, die den Sprung möglich machen.
Andrea Valdinoci Sein Blick pendelt zwischen drei Richtungen: Mal schaut er, wenn er einen Gedanken fasst, in die Ferne, dann, wenn es um die Worte geht, vor sich, als würde er die Sätze plastizieren, und dann suchen die Augen das Gegenüber. Immer ist der Blick offen und empathisch. Sein Name verrät den italienischen Ursprung: Andrea Valdinoci. Die ersten Jahre habe er in Rom gelebt und noch heute empfinde er in der geschichtsträchtigen Stadt Heimatgefühle. Mit einem Zwischenstopp in Ligurien, wo sein Vater Demeterhof und Waldorfschule aufbaut, kam er nach Düsseldorf in die Heimat seiner deutschen Mutter. Ob es bei dem Vornamen denn Verwechslungen gebe? Ja, daran erkenne er, ob man sich schon einmal gesehen habe. Von Düsseldorf war es nicht weit zur GLS-Bank in Bochum. Dort machte er seine Ausbildung, als «sich noch alle Mitarbeitenden am Frühstückstisch treffen konnten». Von der Vermögensverwaltung wechselte er für zehn Jahre zur GLS-Treuhand, wo es um Stiften und Schenken geht, und wurde dann zum Geschäftsführer der Neuguss, einer Gesellschaft, die Unternehmen zusammenbringt. Alle drei Institutionen hat Wilhelm Ernst Barkhoff gegründet und so beantwortet sich auch die Frage, wer denn sein Lehrer sei. Diesen Pionier anthroposophischen Bank- und Sozialwesens hat Andrea Valdinoci zwar nicht mehr leibhaftig kennenlernen können, aber über die drei Institutionen habe er sich tief mit Barkhoffs Denken und Wollen verbunden. Für all diese Aufgaben und vermutlich noch mehr jetzt für die Geschäftsführung der World Goetheanum Association scheint diese sprachliche und seelische Zweigleisigkeit ideal: deutsches Organisationstalent und italienische Tugend, Menschen miteinander zu verbinden.