Lebensmittel für Hoffnung und Wohlsein

Jessica Hutchings ist Halb-Māori, Mitbegründerin von Hua Parakore und biodynamische Gärtnerin. Sie bringt die Werte der Māori und der Biodynamik zusammen. Amanda Bradley, Chefredakteurin von ‹Harvests›, dem Magazin der biodynamischen Vereinigung in Neuseeland, sprach mit ihr über diesen Spagat, der gar nicht so groß ist, wie er erscheinen mag.


Woher kommt deine Liebe zum Gärtnern und zur Arbeit mit dem Land?

Sie muss durch meine Knochen kommen, durch die Verbindung mit den Vorfahren. Intuitiv hab ich schon immer gewusst, dass es gut ist, in der Natur zu sein. Auf der Māori-Seite meiner Abstammung gibt es eine sehr starke Verbindung zum Anbau von Nahrungsmitteln, weil die Menschen im Dorf auf sehr einfache Weise leben. Mein Großvater hatte eine Kuh und Land. Es ist ein Reichtum, Land zu haben. Man kann Getreide anbauen, Menschen ernähren und eine kleine Mikroökonomie aufbauen. Meine Mutter war eine wunderbare Gärtnerin. Die Schönheit der Natur wird in meiner Familie sehr geschätzt. Mein erster Job mit 16 Jahren war für Greenpeace als Türklopferin. Ich studierte Ressourcen und Umwelt und machte dann Māori-Gesundheitsforschung. Dieses ganzheitliche Bild von Gesundheit, nicht nur in den Menschen, sondern auch in der Natur liegt mir sehr am Herzen. Im Jahr 2005 bot sich die Gelegenheit, ein Stück Land zu kaufen. Das gab uns die Möglichkeit, die Praxis im Alltag zu vertiefen.

Bild: Jessica Hutchings

Wie ist Hua Parakore entstanden?

Hua Parakore ist eine Plattform, die von der nationalen Māori-Vereinigung für biologische Landwirtschaft, Te Waka Kai Ora (gegründet 2001), getragen wird. Wir wollten auf den Ruf der Māori-Produzenten nach einem Verifizierungssystem reagieren. So kam Hua Parakore zustande – ein dreijähriges Forschungsprojekt im ganzen Land, mit verschiedenen Māori-Gemeinschaften. Wir haben nicht nur Lebensmittelproduzenten und Vermarkter einbezogen, sondern ein breites Spektrum von Personen, die man als Hua-Parakore-Produzenten oder -Nutzerinnen bezeichnen könnte. Deshalb auch das Einbeziehen der traditionellen Medizin. Die Frage war: Was macht ein Māori-Bioprodukt aus? Hua Parakore bedeutet wörtlich übersetzt ‹frei von Schaden› oder ‹frei von Unrat›. Es handelt sich also um ein reines Produkt, das mit Māori-Werten angebaut wird, die bei der Herstellung aktiviert werden.

Wie hat deine Reise mit der Biodynamik begonnen?

Ich kam zur Biodynamik durch die Homöopathie und durch die großen Säcke mit Getreide, auf denen die Demeter-Zertifizierung steht. Man hebt sie an und bekommt diese Resonanz im Körper. Die Energie des biodynamischen Getreides ist phänomenal. Als wir das Stück Land kauften, suchte ich nach einem Kurs in Biodynamik. Ich traf viele Landwirte auf verschiedenen Biobetrieben im ganzen Land. Biologisch-dynamische Bauern oder Bäuerinnen sind eine ganz besondere Art von ‹Fisch›, und ich schien mit ihnen in Resonanz zu gehen.

Bild: Workshop im November 2021

Kannst du die sechs Prinzipien von Hua Parakore durchgehen?

Beginnen wir mit ‹Whakapapa›, bei dem es um die Zusammenhänge zwischen allen Lebewesen geht. Es fordert die Produzenten auf, über das Whakapapa des Landes nachzudenken, auf dem sie anbauen oder das sie nutzen. Im Zertifizierungsprozess beschreibt man die Geschichte des eigenen Grundstücks. Sie zu verstehen, ist sehr wichtig. In den Hügeln auf der Rückseite meiner Farm sind die Kern-Iwi begraben, und es ist das Gebiet von Ngāti Rangitane, Te Atiawa, Ngāti Kahanunu. Wir wollen die früheren Besitzer und ihre Rechte an diesem Land nicht auslöschen, auch wenn sie aufgrund der Kolonisierung nicht mehr dort leben. Das Prinzip ‹Whakapapa› stellt uns diese Art von politischen Fragen.

Das nächste Prinzip ist ‹Mauri›, bei dem es um Lebensenergie geht. Wir machen biodynamischen Kompost, um die Lebensenergie der Erde zu verbessern. Mauri wird häufig als Indikator zur Bewertung der Umwelt verwendet, zum Beispiel für die Gesundheit von Bächen und Böden. Als Māori bringen wir unsere indigene Art des Wissens und der Verbindung mit dieser Wesenheit ein, um über die Lebensenergie zu sprechen.

Bild: Workshop im November 2021

Dann haben wir das Prinzip des ‹Wairua› (der Seele), bei dem es darum geht, sicherzustellen, dass wir auf dem Hof erbauliche seelische Praktiken anwenden, sowohl für Menschen als auch für das Land und die Jahresrhythmen. Man kann sich das wie Gesundheit und Sicherheit im Rahmen eines Biostandards vorstellen. Wir sind daran interessiert, die ganzheitliche Gesundheit der Menschen, des Landes und der Natur zu berücksichtigen.

‹Te Ao Tūroa› ist die natürliche Welt. Bei diesem Prinzip geht es um die Verbundenheit mit dem gesamten Māori-Universum, das von Göttern gebildet wird. ‹Te Ao Tūroa› ist die Linse, um das, was wir auf dem Land tun, mit anderen Augen zu sehen. Wisst ihr, wie unsere biodynamischen Augen funktionieren? Wir sehen, dass alles miteinander verbunden ist. Manchmal gerate ich selbst in den Mikrokosmos und vergesse, dass sich Pilze überall ausbreiten und alles beeinflussen. Es ist die Erinnerung an ‹Te Ao Tūroa›, um zu verstehen, dass diese Netzwerke heilig sind. Aus diesem Grund sind Organisationen wie ‹Te Waka Kai Ora› strikt gegen Gentechnik, sei es bei Lebensmitteln oder in der Umwelt. Die Politik oder die Grenzen, die mit einigen dieser neuen Technologien, Anbaumethoden und Zusatzstoffe verbunden sind, verlangen von uns, dass wir eine klare Linie ziehen und sagen: «Das ist nicht verhandelbar!»

Kommen wir nun zu ‹Mana› (spirituelle Kraft). Wie können wir das Mana des Bodens, der Wälder aufwerten? Wir können Mana durch Gastfreundschaft oder Unterstützung ausdrücken. Das Anbieten von Gastfreundschaft ans Land und den Boden durch die Praktiken, die wir ausüben, ist ein Weg, Mana zu erhöhen. Aber es geht auch darum, das Mana der Menschen zu erhöhen, mit denen man zu tun hat und die auf den Hof oder das Land kommen. Es ist ein Prinzip, das manchmal anstrengend sein kann, nicht immer einfach zu praktizieren, aber es ist erstrebenswert.

Dann haben wir das Prinzip von ‹Māramatanga›, das immer ein schönes ist, das man bis zum Schluss stehen lässt. Es meint das Erwachen, die Erleuchtung, das Sehen, das Wissen, das Offenbar-Werden der göttlichen intuitiven Sinne. In der Biodynamik bekomme ich dieses Gefühl der Verbundenheit, das Wissen um ein anderes Reich, wenn man den ‹Bogen der 500› zur richtigen Tageszeit sieht und die Sonne durch die Tröpfchen scheint, die dann in den Boden und in die Erde wandern. Ich habe hier definitiv die Erfahrung gemacht, der Hof ist sein eigener lebendiger Organismus, seine eigene Einheit. Die Präparate helfen, alles miteinander zu verbinden. Für mich ist es die Wesenheit des Hofes, die in Māramatanga ausgedrückt wird. Die Biodynamik war für mich in der Praxis ein wirklich schöner Weg, um die Türen zu Hua Parakore zu öffnen. Ich wurde adoptiert, also bin ich nicht mit generationenübergreifendem Māori-Wissen aufgewachsen, das weitergegeben wurde. Ich habe mein ganzes Leben lang in diesem Sektor gearbeitet. Ich lebe darin. Ich schätze die Verbindung zwischen Biodynamik und Hua Parakore sehr. Es wäre wirklich schön, wenn mehr Māori-Bauern die biodynamischen Prinzipien übernehmen würden.

Die Sechs Prinzipien von Hua Parakore, des Zertifikats für Māori-Bioprodukte

Wie könnte sich die Biodynamik verändern, um für die Māori zugänglicher zu werden?

Der Begriff von Rangatira (Meisterschaft) ist wichtig. Jemand muss ‹ranga›, eine Gruppe von Menschen, zusammenweben. Je mehr biodynamisch praktizierende Führungskräfte also Māori sind, desto mehr Menschen haben wir für Rangatira. Eine Art Mentorenprogramm wäre großartig. Einige große Māori-Produzenten würden es schätzen, Beziehungen zu biodynamischen Bauern aufzubauen. Aber was bedeutet es, ein guter Gastgeber und ein guter Gast zu sein? Was sind unsere interkulturellen Praktiken? Wie können wir uns auf sichere Art und Weise einbringen, sodass die Māori nicht die Erzieher der weißen Neuseeländer werden. Vielleicht könnten Mitglieder der biodynamischen Vereinigung ein Vertragstraining absolvieren, um ein Bewusstsein dafür zu entwickeln. Wie will man in Beziehung zu den Māori kommen? Versuchen Sie nicht, alles auf einmal zu tun, sondern wählen Sie den Bereich, den Sie entwickeln wollen, und ändern Sie eine Sache nach der anderen.


Das Interview führte Amanda Bradley. Gekürzt und übersetzt wurde es von Gilda Bartel.

Die Gruppenbilder entstanden auf einem Workshop im November 2021, den Rachel Pomeroy als Biodynamikerin und Jessica Hutchings als Hua-Parakore-Praktizierende gemeinsam gaben.

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare