Constanza Kaliks und Paula Edelstein erkunden im Gespräch, wie Interkulturalität ein Weg im 21. Jahrhundert wird und welche besonderen Herausforderungen der Pädagogik begegnen.
Constanza Kaliks Die Pandemie hat nicht nur sich selbst als Problem gebracht, sondern auch erneut die Möglichkeit, ja Notwendigkeit, Probleme zu sehen, die schon seit Jahrzehnten in der Welt sind. Eine dieser großen Herausforderungen ist die Verschärfung von Situationen extremer materieller Entbehrung und Verletzlichkeit. Nicht alle Menschen kommen auf die Erde in eine Situation, die ihnen all die Möglichkeiten schenkt, die ein menschenwürdiges Umfeld zulässt. Diese Tatsache hat sich durch die Pandemie verschärft. Ein Beispiel davon beschreibt der UNESCO-Bericht von August 2020: Zu den Millionen, die schon heute an Hunger leiden, kommen durch die Pandemie noch 150 Millionen Jugendliche und Kinder mehr, weil sie durch die Schließung der Schulen nicht ihre täglichen Mahlzeiten einnehmen können. Im Bericht heißt es: «Es ist eine universelle Krise und für einige Kinder werden die Auswirkungen für den Rest ihres Lebens spürbar sein.»1
Wie gehen wir mit dem Wissen um diese Situation um? Es ist uns gegeben, dass wir wissen können, wie die Lage in der Welt ist, welche Situationen in den letzten Monaten entstanden sind. Diese Möglichkeit zu wissen bringt Verantwortung mit sich. Die Pandemie hat die gegenseitige Verantwortung weiter verdeutlicht und die gemeinsame Aufgabe ist klarer geworden. Wir sind dadurch aufgerufen, sie gemeinsam anzunehmen, jeder Mensch in der Umgebung, in der er wirksam sein kann. Die Pandemie zeigt die Interdependenz, die eigentlich die Ausrichtung des Menschseins ist, die Gegenseitigkeit, sie zeigt, dass wir real aufeinander angewiesen sind. Wir sind ja eigentlich in dieser Wechselseitigkeit, indem wir in der Welt sind. Wie können wir diesen Schicksalsauftrag annehmen? Da stellt sich die Frage nach der Andersheit des anderen Menschen in radikaler Form. Sie ist eigentlich eine tägliche Tatsache. Doch wie können wir diesen anderen wirklich begreifen? Können wir diese Herausforderung aus der Gegenseitigkeit annehmen, wenn der andere fremd bleibt?
Wir sind in dieser Wechselseitigkeit, indem wir in der Welt sind.
Können wir eine Erkenntnis entwickeln, die das Leben umfasst, in der nicht ich mit meinem eigenen Gemütszustand, mit meiner Sicht der Dinge und der Welt zum Maßstab werde, sondern in der ich und meine Sicht in Bezug auf den anderen, ich und mein Schicksal in Bezug auf das Schicksal der Gesellschaft und der Natur zur Orientierung für ein verantwortetes Handeln werden?
Drei Aspekte dieses großen Themas wollen wir in diesem Gespräch im Bereich der Pädagogik fokussieren: Zuerst der Aspekt unserer pluralen Zugehörigkeiten, die gleichzeitig und komplex verwoben sind. Dann der Aspekt der Gegenseitigkeit, die immer konkret ist, immer einen Namen und einen Ort hat – denn wir sind verortete Wesen. Und schließlich den Aspekt der Einmaligkeit eines jeden Menschen, ein jeder als absolut singuläre Wirklichkeit.
Plurale Zugehörigkeiten
Jeder Mensch tritt in die Welt in ein Umfeld, das viele Zugehörigkeiten mit sich bringt, Zugehörigkeiten, die sich entfalten, sich verweben. Wir sind uns vieler dieser Zugehörigkeiten bewusst – familiärer Hintergrund, Sprache, die unmittelbare Umgebung, in der wir die Welt erleben – und viele bleiben unbewusst, sind aber oft genauso wirksam und präsent. Die Erfahrung der Entwurzelung, der Heimatlosigkeit, der Entfremdung, betrifft heute viele Menschen auf der ganzen Welt. Was ist, wenn diese Zugehörigkeiten nicht in Erscheinung treten dürfen?
Paula, du hast in deiner pädagogischen Arbeit mit Menschen und Schulen in den Vororten von Buenos Aires viele Erfahrungen dazu gemacht und in deiner Forschung untersucht. Was wurde dabei deutlicher?
Paula Edelstein Die Interkulturalität haben wir entdeckt, als wir uns vor 20 Jahren fragten, woran das Unvermögen der Kinder liegt, in der Schule zu lernen. Es waren Kinder, die in peripheren Stadtteilen von Buenos Aires leben, in denen viel Armut herrscht. Kinder, die in der Schule nicht lernen konnten, die also ‹Schulversager› sind, Kinder, die aber in ihren eigenen Straßen, ihrer eigenen Umgebung wach und präsent waren. Dort waren sie lebendig, waren interessiert, stellten Fragen. In der Schule zeigten sie aber ganz andere Attitüden. Sie waren aggressiv und verweigerten die Teilnahme oder waren sehr zurückhaltend, still bis verstummend oder antworteten gar nicht. Die Lehrer waren machtlos und frustriert. Wir fragten uns, ob die Schule nicht die richtigen Fragen stellte. Weiß die Schule, wer die Kinder sind? Kennt die Schule die Kinder? Es wurde evident, dass zwischen dem, was die Schule vorschlug, und der Wirklichkeit, in der die Kinder lebten, ein riesiger Abgrund lag. Aus dieser Distanz war es unmöglich, die Kinder anzusprechen. Dieser Abgrund war im Laufe der Jahrzehnte entstanden, als Ergebnis einer anhaltenden Diskriminierung: gegen die indigenen Völker, gegen Binnenmigrantinnen und -migranten aus den Provinzen oder aus den Nachbarländern. Distanz war das Ergebnis der ständigen Verweigerung der Möglichkeiten, des Unsichtbarmachens der Qualitäten des anderen. Die Nichtanerkennung der eigenen Identität stellt eine grundlegende Aggression dar, denn sie ist eine Verletzung des eigenen Wesens; und die Schule kannte die Kinder, mit denen sie arbeitete, nicht.
Mit diesem Panorama stellten wir eine neue Hypothese auf: Wir dachten, dass dieses Versagen in der Schule nichts mit den Qualitäten oder Möglichkeiten der Kinder zu tun hat, sondern mit jener kulturellen Entfremdung, die es ihnen, in der Verkennung, nicht erlaubt, sich auszudrücken und zu sein. Wir verstanden, dass so das Verbergen als ein Prozess der Verteidigung geboren wird, und wir sahen, dass diese Bevölkerung verbirgt, was sie ist, weil das vom System als beschämend angesehen wird: Ihre Wurzeln, ihre Herkunft, ihre Hautfarbe, die Orte, an denen sie leben, alles wird als beschämend angesehen. Darum verbergen Familien ihre Identität, die sie im geschützten, eigenen Raum entfalten, nach außen hin, weil sie dort Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind. Und sie lehren ihre Kinder, zu versuchen, den anderen ähnlich zu sein, um dazuzugehören.
Aber der Versuch, ähnlich zu werden, um dazuzugehören, ist ausweglos, denn es ist nicht möglich, die eigenen Zugehörigkeiten zu verbergen, ohne einen hohen Preis zu bezahlen. Entweder es gelingt nicht, und die anderen erkennen, dass wir nicht sind, als was wir erscheinen, und verleugnen und diskriminieren uns wieder. Oder es gelingt und wir erscheinen so ähnlich, dass wir vergessen, wer wir sind und uns selbst verloren gehen.
Jeder Mensch ist eine absolut singuläre Wirklichkeit.
Um das Scheitern in der Schule rückgängig zu machen, war es notwendig, noch einmal hinzuschauen und zuzuhören, mit dem Wunsch, zu erkennen und die reale Identität und die wirklichen Zugehörigkeiten in die Schule einzulassen. Damit sich Bildung vollziehen kann, muss man sich zeigen können, man muss sich zu erkennen geben können, und dazu muss man sich enthüllen.
Zunächst musste Vertrauen geschaffen und die Diskriminierung umgewendet werden. Wir als Lehrerinnen und Lehrer waren es, die die Bilder, von denen die Kinder und ihre Familien zu Hause sprachen, ins Klassenzimmer bringen mussten: die Baumwollfelder und die Berge, an die sich ihre Großeltern aus der Provinz erinnerten, die mit Pappe beladenen Karren, mit denen sie jeden Tag sammeln und durch die Stadt fahren, der kleine Ort zwischen den Straßen, in dem sie alle einen Platz zum Ballspielen eingerichtet haben. Die Straßen der Viertel, in denen die Kinder spielen, wachsen und lernen, mussten in die Klassenzimmer kommen, sodass wir von ihnen lernen und durch sie zuschauen konnten2.
Gegenseitigkeit, Begegnung, Verortung
Constanza Kaliks Rudolf Steiners pädagogischer Impuls basiert auf der Suche nach einer Erkenntnis des Kindes, in der Anerkennung seines Werdens mit und aus seinen vielfältigen, verwobenen Zugehörigkeiten, die in der Leiblichkeit, in seinem Seelenleben und in seiner unverwechselbaren Einmaligkeit als geistiges Wesen verankert sind.
Der Ort, in dem ich lernte, die Welt zu sehen, zu hören, in dem ich zu lernen lernte, ist immer ganz konkret und real. Mit wem war ich verbunden, wer erzählte mir die Welt, wer ließ sie mich sehen? Kultur ist in dem verankert, was wahrgenommen wird. Wenn wir dem Interkulturellen Aufmerksamkeit schenken wollen, müssen wir den Ort, die Verortung des realen anderen wahrnehmen.
Dieses Konkrete des kindlichen Umfeldes spricht Rudolf Steiner an: «Es handelt sich nicht darum, etwas auszudenken, wie man fern von aller Welt eine Anzahl von Kindern nach seinem Kopf entwickeln kann, sondern wie man mittendrin im sozialen Milieu, wo man steht, die Kinder Mensch sein lassen kann. Man muss also die Stärke aufbringen, den Kindern dieses Leben nicht zu nehmen, wenn sie doch nun einmal in ihrem sozialen Milieu darinnenstehen. Diesen Mut muss man durchaus haben und das ist etwas, was mit der Weltbedeutung der Pädagogik zusammenhängt.»3
Wie entwickeln wir eine Pädagogik, die diese Wirklichkeit der Beziehungen als Grundlage für das Lernen des In-der-Welt-Seins nimmt? Das Verhältnis zum anderen und zur Welt ist die Grundlage, aus der geschöpft werden kann. Auf diesem beruht die tiefe Sehnsucht, den anderen und die Welt kennenlernen zu wollen. Ohne Beziehung gibt es keinen Grund, zu entdecken, zu lernen. Das Interkulturelle ist die Zwischensphäre, ist der Raum, der immer dann entstehen kann, wenn diese Beziehung vollzogen wird. Es ist kein Ort, der sich ergibt, wenn sich nur einfach zwei Pole gegenüberstellen, sondern er bildet sich aus der Wirklichkeit des vollzogenen Bezugs zwischen diesen zweien oder mehreren.4 Wie kann das Leben in dieser Zwischensphäre geübt und gestaltet werden?
Paula Edelstein Wir haben den Eindruck, dass das Klassenzimmer ein Raum ist, der die Zwischensphäre als Erlebnis ermöglichen kann. Jedes Mal, wenn wir uns mit genuinem Interesse verbinden konnten mit dem Ort, an dem wir gearbeitet haben, entdeckten wir neue Ausdrucksweisen, Geschichten, Erzählungen, neue Zugehörigkeiten, Welten, die mit in den Unterricht hineingenommen werden konnten. Die Menschen, die in diesen Randgebieten leben, kommen von sehr weit und bringen ihre Orte mit sich – die Hochebenen der Anden, die Wälder an den großen Flüssen. Die konnten jetzt in das Klassenzimmer hineintreten, auch mit ihren Ahnen und mit dem jahrtausendealten Wissen. Die Familien erschaffen das erneut, wenn sie in die Großstadt kommen. Als es uns gelang, das Verbergen zu überwinden und eine Brücke zu bauen, konnten wir von vielen Dingen sprechen. Wir sprachen von dem Wald, undurchdringlich in der Erinnerung an die Großeltern, und auch von dem Schmerz, den es verursacht, zu wissen, dass er abgeholzt wurde. Wir sprachen über den Fluss und die Fischer, über die Verschmutzung der Flüsse, die die Fische tötet. Wir sprachen über die Notwendigkeit, die Gebiete zu verlassen, um zu überleben, und über die Strategien, die sie hier und jetzt anwenden, um dies mit maximaler Kreativität und minimalen Ressourcen zu erreichen. Zum Beispiel die Gemeinschaftsküche, in der alle etwas zu essen bekommen, oder das Sammeln von Altpapier, um es zu verkaufen. Als sie über all das sprachen, füllte sich das Klassenzimmer mit Inhalten. Die Begriffe der Arbeit und der Umgebung änderten ihre Bedeutung; sie wurden tiefer, komplexer und realer. Es war möglich, über Ursprünge und Zukünftiges zu sinnen, andere Formen zu denken und neue Horizonte zu öffnen.
Damit sich Bildung vollziehen kann, muss man sich zeigen können, man muss sich zu erkennen geben können, und dazu muss man sich enthüllen.
Mit den Stimmen der Kinder, den Geschichten ihrer Familien, kam die tiefe Erfahrung der Menschen unseres Kontinents in den Schulen an. Es sind die Erfahrungen, die durch Beobachten und Gehen wachsen. Es waren nicht nur die Erfahrungen der Kinder, sondern es war ein ganzes Wissenssystem, das in die Schule eintrat.
Wenn man auf diese Weise lernt, kann ein Wald nicht mit einer Sauerstofffabrik verwechselt werden, denn es gibt die lebendige Erinnerung an diesen gerodeten Wald, an den Schmerz, den dieser Verlust brachte. Wenn die Ingenieure und Geologinnen von heute als Kinder mit Liebe und Respekt von den Wäldern gehört hätten, würden sie heute den Tagebau so zerstörerisch fortsetzen – oder würden sie neue Wege finden?
Wenn wir interkulturelle Dialoge ermöglichen, können wir Verständnis und Respekt für die Territorien der Welt fördern, Horizonte erweitern und Grenzen öffnen. Indem wir zuhören und unsere Identität aussprechen, werden unsere Identitäten so gestärkt, dass der Wunsch, mehr zu wissen, wächst – auf respektvolle Weise wächst. Als sie zu erzählen begannen, begannen die Kinder auch Fragen zu stellen, sich für andere Dinge zu interessieren und andere kennenlernen zu wollen.
Einmaligkeit des anderen
Constanza Kaliks Als Drittes möchten wir die Aufgabe ansprechen, das andere aus der Realität des anderen heraus zu verstehen. Hier stehen wir vor einer immensen Herausforderung: Kann ich innerlich einen aktiven Verzicht leisten, damit das Anderssein zum Ausdruck kommen kann? Eine andere Form der Bezugnahme ist erforderlich, ein Dialog, ein Sprechen, das hört: ein ausdrucksstarkes Zuhören. Eine Anthropologie des Dialogs ist gefragt, um den anderen aus seinen Bedingungen verstehen zu lernen. Wir wissen, dass die Standards nur einer Kultur nicht ausreichen, um eine andere Kultur in ihrer Wirklichkeit zu verstehen.
Steiners pädagogischer Ansatz gründet auf einer Menschenerkenntnis, die den anderen auch als Rätsel, als permanentes Mysterium respektiert. Eine Erziehung, die sich nicht nur einer bereits existierenden Wirklichkeit zur Verfügung stellt, sondern die das noch nicht Existierende, das mit jedem jungen Menschen in die Welt tritt, in seinem Werden bejaht und es unterstützt.
Dies ist der Raum, in dem die Unersetzlichkeit eines jeden erfahren werden kann. Es geht nicht um einen Menschen im Allgemeinen, sondern um den konkreten, realen, einzigartigen und singulären Menschen, in dem sich die Würde des Menschseins verwirklicht. Dies spiegelt sich auch in der Forderung nach Antirassismus nach den jüngsten Morden in Nordamerika: «Sag seinen Namen – say her/his name»: Es geht nicht um eine oder einen im Allgemeinen, sondern um diesen, diesen als unersetzliche Realität des Menschen. Dieser ist nicht das Beispiel eines Menschen, sondern er ist ein einzigartiger Mensch mit seiner Art des Seins in der Welt. In einer Geschichte schreibt der mosambikanische Schriftsteller Mia Couto:
«Auf die Frage nach seiner Rasse antwortet er:
Meine Rasse bin ich, João Passarinheiro.
Gebeten, sich selbst zu erklären, ergänzte er:
Meine Rasse bin ich selbst. Ein jeder ist eine individuelle Menschheit. Jeder Mensch ist eine Rasse, Herr Polizist.»5
In seiner Schrift ‹Die Philosophie der Freiheit› bekräftigt Rudolf Steiner die absolute Einzigartigkeit eines jeden: Unter dem Gesichtspunkt seiner einzigartigen Identität, seiner geistigen Konstitution, ist jeder Mensch seine eigene Gattung.6
Paula Edelstein Im aktuellen Weltkontext, wo sich so viel bewegt, fragen wir uns, welchen Ort die Schule einnehmen möchte und kann. Heute müssen wir Bildung als eine Zeit der Arbeit und des gemeinsamen Aufbaus begreifen, in der jeder von uns als Individuum sein Sein in der Welt entfaltet. Wir müssen die Schule als den Ort der Begegnung begreifen, der diese gemeinsame Arbeit ermöglicht, die unsere eigene und die mit anderen ist. Es ist unerlässlich, im Klassenzimmer Platz für den reichen und vielfältigen Ausdruck der Bilder und Territorien zu schaffen, die jeder von uns mit sich trägt. Die verschiedenen Wissensansätze müssen in den Dialog treten. Die Kraft des Kreises ist für diesen Dialog sehr entscheidend. In der Waldorfschule sind wir zu diesem Kreis eingeladen, wir können das Geschehen in der Klasse als ein Kreisgeschehen denken. Nicht nur als ein Spiel, sondern als eine Form des gemeinsamen Zusammenseins. In dieser Form kann das Wort fließen, Horizonte und Blickpunkte können sich kreuzen. Die Erkenntnis, die sich ergibt, ist vielfältig, paritätisch aufgebaut, plural. Asymmetrien werden abgebaut, nicht nur in den Stimmen im Klassenzimmer, auch in den Zugehörigkeiten, die wir mitbringen. Es ermöglicht, andere Erkenntnisformen, aus anderen Geschichten geboren, kennenzulernen, Neues über mich selbst zu lernen, meine Zugehörigkeiten zu erweitern und mit dem Sein der anderen zu entwickeln.
Es war sehr bereichernd, diese Stimmen, die so lange zum Schweigen gebracht oder versteckt wurden, zu hören. Es war nicht nur bereichernd, weil ich die Welten dieser Kinder entdeckte. Ich entdeckte auch die sehr komplexen Wissenssysteme, die zum Beispiel die indigenen Referenten in sich tragen. Es war bereichernd, weil ich in diesem Dialog Aspekte meiner selbst und meiner Geschichte entdeckte. Ich erweiterte meine eigene Zugehörigkeit; ich verstand mein soziales Wesen besser. Wenn ich diese Stimmen in andere Klassenzimmer mitnahm – ich konnte zum Beispiel Astronomie unterrichten, indem ich den Andenkalender neben den westlichen stellte –, wuchs der ganze Inhalt. Die jungen Menschen, mit denen ich interagierte, fanden mehr Elemente, um sich selbst zu erkennen und auszudrücken. So wuchs der Wunsch, die anderen kennenlernen zu wollen.
Constanza Kaliks Das andere: Lernen wir, mehr zu tun, als es zu tolerieren – lernen wir, es zu wollen? Lernen wir, uns unserer Gegenseitigkeit als konstitutives Element bewusst zu werden? Und dies nicht nur im sozialen Werden, sondern auch im individuellen Werden und in der Beziehung zur Natur, zum Kosmos, als Generator klimatischer Bedingungen für die Würde des Menschen und der Welt? Lernen wir, die Bindungen zu erhalten, und erkennen wir sie als Grundlage unseres gemeinsamen und individuellen Seins in der Welt an? Und so, dass, wie der brasilianische Pädagoge Paulo Freire sagt, die Berufung zum Werden nicht ein Privileg von einigen, sondern das Recht aller Menschen ist?7
Der Raum der Schule scheint ein herausragender Lernraum für die großen menschheitlichen Aufgaben zu sein. Dass wir lernen, aus unseren Zugehörigkeiten kommend, in einem gemeinsamen Jetzt, zu diesen großen Aufgaben beizutragen: in Respekt und Anerkennung, dass jeder einmalig und nicht wiederholbar ist, die Gegenseitigkeit als konstitutives Element der Wirklichkeit zu erkennen und den anderen aus ihm selbst heraus zu verstehen.
Footnotes
- Unicef/education/covid-19, Besuch am 24. Oktober 2020, 16:40.
- Siehe María del Carmen Maimone und Paula Edelstein, Didáctica e Identidades Culturales: acerca de la dignidad en el proceso educativo. La Crujía, Stella, Buenos Aires 2004.
- Rudolf Steiner, Der pädagogische Wert der Menschenerkenntnis und der Kulturwert der Pädagogik. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1989. Oosterbeek-Arnheim/Holland vom 17. bis 24. Juli 1924, 6. Vortrag 22. 7.1924, GA 310, S. 112.
- Vgl. Waldenfels, apud Georg Stenger, Ort/e, Ortungen, Orientierungen. In: Murat Ates et al. (Hg), Orte des Denkens – Places of Thinking. Karl Alber, Freiburg und München 2016, S. 28.
- Mia Couto, Cada homem é uma raça. (3. Aufl.) Editorial Caminho, Lissabon 1994, S. 4. «Inquirido sobre a sua raça, respondeu: A minha raça sou eu, João Passarinheiro. Convidado a explicar-se, acrescentou: Minha raça sou eu mesmo. A pessoa é uma humanidade individual. Cada homem é uma raça, senhor polícia.»
- Vgl. Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1995, GA 1995, S. 241.
- Paulo Freire, A Pedagogia do Oprimido. Paz e Terra, Rio de Janeiro 1974, S. 95.
Primair is de Mens een spiritueel wezen met een geestziel in een fysiek lichaam,normaliter dat zich wil en kan groeien en ontwikkelen in een milieu,die veilig en vertrouwd voor haar is.
het vreemde ontmoetend,dan automatisch“het overlevingsproces van het IK(ego) treedt in werking om het vreemde“vertrouwd of eigen te maken.
in de kolonisatie van werelddelen door Europese imperialistische naties in de afgelopen 5 eeuwen zijn fasen of stappen van bovengenoemd proces overgeslagen door de veroveraars en destructeurs in de niet-Europese continenten van de planeet de Aarde,in plaats van constructief met respect voor de nativs“en leefmilieu.
Het ontbrak aan voldoende wijsheid en wederzijdse liefde tuusen de voor elkaar vreemde volkeren!
Heden met voldoende beschikbare kennis en inzicht verrijking,o.m. door antroposofische toepassingen in de biosfeer van de mensheid ,is het mogelijk dit proces reversibel te realiseren.
een eeuw geleden beweerde Rudolf STEINER in zijn voordrachten
en geschriften,dat het moreel denken en handelen van goede en voldoende kwaliteit zal moeten zijn bij nieuwe initiatieven voor opvoeding en gezondheidszorg.
JDN1944NL3Januari2021AD.