Gegenwart schenken

«Das habe ich für dich gemacht», sagt meine dreijährige Freundin scheu. Hocherfreut beuge ich mich zu ihr und wir nehmen uns Zeit, gemeinsam das kostbare Geschenk anzuschauen: eine Schnur und daran befestigt eine Muschel. Ich schaue ihr in die Augen, als ich mich bedanke. Strahlend legt sie ihre kleinen Arme um meinen Hals, als ob sie mir zurückdanken wollte.

Welch eine innere Schwelle sie überschritten hat! Vom Empfangen der Welt als Geschenk hat sie mit ihrem selbst geschaffenen Geschenk den Schritt zur Teilnahme an der Welt gemacht. Dennoch war dieses Geben ohne meine Reaktion noch nicht vollständig. Das weckte in mir die Frage: Wie oft vergessen wir die Freude nicht nur am Geben, sondern auch am Empfangen? Wie oft erleben wir echte Dankbarkeit? Nehmen wir uns Zeit, die Geschenke der Welt zu erkennen und anzuerkennen? Und den Menschen, der sie uns gibt? Wem danken wir für den Gesang der Vögel, für gutes Essen, für Regen und Sonne?

Im Danken haben wir mit unserem ganzen Wesen Anteil an der Welt. David Steindl-Rast beschreibt das sehr gut: Mit unserem Denken nehmen wir ein Geschenk als Gabe und nicht als Selbstverständlichkeit wahr; mit unserem Fühlen wertschätzen wir es; mit unserem Willen, den Kreis schließend, danken wir den Gebenden und sie nehmen unsere Dankbarkeit entgegen.1 Indem wir danken, gestehen und anerkennen wir unsere gegenseitige Beziehung: ja, wir gehören zusammen. Dankbarkeit verbindet uns.


Bild Statue der Heiligen Anna, Basilika der Heiligen Nazarius und Celsus, in der mittelalterlichen Zitadelle von Carcassonne, Frankreich. Foto: Laura Liska

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