Welches Denken führt in die Zukunft?

Im Rahmen ihrer ‹Talkreihe im Stadtpalais› hatte die Mahle-Stiftung Harald Schwaetzer von der Kueser Akademie für Europäische Geistesgeschichte eingeladen, um nach den Notwendigkeiten der Zukunft zu fragen.


In dem sympathischen Gespräch zwischen Moderator Markus Brock und Harald Schwaetzer entwerfen beide in ehrlichen Fragen und öffnenden Antworten ein Bild dessen, was lebendiges Denken sein kann. Schwaetzer bringt die deutschen Idealisten ein, wenn es um die Frage geht, welches Denken wir brauchen, um zukunftsfähig zu bleiben. Den Fichte’schen Begriff des ‹Ich› erörternd, versucht er zu belegen, dass unser heutiges Denken geschichtslos sei. Wir bauen immer auf biografischen und kulturgeschichtlichen Fundamenten, denken diese aber nicht mit. Stattdessen seien wir vor 200 Jahren abgezweigt und hätten ein Denken entwickelt und uns für ein Denken entschieden, das die Wahrheit als ein Abstraktum auffasst, das außerhalb unseres Selbst und unserer Selbsterkenntnis existiert und allgemein gültig ist. Dieses Denken ist unverbindlich, hat zwar Einsichten, setzt diese aber nicht um. Denn schon lange wissen wir, was zu tun wäre zum Beispiel in Bezug auf den Umweltschutz oder die soziale Gerechtigkeit. «Wir müssen uns als Menschen neu erfinden und müssen zusehen, dass unser Denken eine Handlungskonsequenz hat», ist sein Fazit.

In dieser Hinsicht sind alle persönlichen und gesellschaftlichen Krisen Zeichen von Überforderung. Die Gewohnheiten stimmen nicht mehr, noch aber wissen wir nicht, was wie anders werden muss. Schwaetzer zitiert Wilhelm von Humboldt als einen zukünftigen Weg: «Mir heißt in das Große und Ganze wirken, auf den Charakter der Menschen wirken. Und darauf wirkt jeder, sobald er auf sich und bloß auf sich wirkt. Wäre es allen Menschen völlig eigen, nur ihre Individualität ausbilden zu wollen und nichts so heilig zu ehren als die Individualität des Anderen, […], so wäre die höchste Moral, die konsequenteste Theorie des Naturrechts, der Erziehung und Gesetzgebung den Herzen der Menschen einverleibt.» Schwaetzer wirft die Frage der Bildung mit in den Ring, wenn es um die Zukunft geht. Dass eine Umwandlung zum lebendigen Denken und dementsprechend wahren Leben miteinander sich nur sehr langsam vollziehen wird, kann Schwaetzer optimistisch gelten lassen, solange wir begreifen, dass Wahrheit etwas ist, was sich erst im Prozess zwischen uns vollzieht. Und andererseits, wer hindert mich denn, mich selbst zu ändern?


Mehr: Welches Denken führt in die Zukunft?

Bild: ‹Talkreihe im Stadtpalais› mit Harald Schwaetzer, Screenshot aus dem Video.

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare