Am 28. Februar 2019, wanderte Greta Thunberg durch Antwerpen. Anscheinend mit großem Widerwillen, einem mir sympathischen Widerwillen, den ich selbst jedes Mal auch empfinde bei Demonstrationen.
Es war aber an manchen Momenten rührend in den Straßen, so viel Begeisterung ruft das authentische Mädchen spontan wach, schon ohne etwas zu sagen. Eigentlich würde sie am liebsten zu Hause bei ihren Hunden sein. Ich auch, sei es dann mehr noch bei meinen Büchern, meinen Heften, meinem Bleistift, meiner Stille. Oder lieber noch zu Fuß irgendwo unterwegs auf einem gewundenen Pfad. Zusammen mit meinen Hausgenossen am Waldrand.
Gretas Weisheit ist für mich normaler als der Lärm der sie umgebenden Jugendlichen. Ich nehme ihre Sorge sehr ernst, obwohl ich nicht überzeugt davon bin, dass die Hausaufgabe bereits gemacht worden ist, wie dieses Kind es immer wieder betont.
Meine Sorge ist, dass Wissenschaft erst Motiv eines Handelns werden kann, wenn sie umgebildet ist zu Menschen- und Geisteskunde, zu Weisheit. Naturwissenschaft ist an sich so kalt wie ein Stein und sagt nichts, niemandem. Dass sie Politiker zu Handlungen zwingt, ist Ideologie. Das Zwischenstück von Weisheit fehlt und danach sehne ich mich. Greta könnte mehr oder weniger die Muse dieser Weisheit sein. Sie ruft uns Denker und meditative Studiermenschen auf, diese Klima-sophie zu kreieren. Wo ist sie? «We need a new way of thinking», sagte sie doch auch? Eine goetheanistische Klimawissenschaft, im Sinne von Goethes Farbenlehre, Geologie und Botanik, fehlt. Damit meine ich eine Wissenschaft, die unmittelbar an den Klimaerscheinungen selbst abgelesen ist. Eine Betrachtung des Phänomens, die das Urphänomen selbst in Erscheinung treten lässt und zum richtigen Handeln führt, bei allen, die sie erwerben. Eine Wissenschaft, die auch unmittelbar die Verbindung zwischen Mensch und Klima sichtbar und erlebbar macht. «Sucht nichts hinter den Phänomenen, sie sind die Lehre», schreibt Goethe. Eine Wissenschaft, die uns durch ihre eigene Schönheit und Tiefe zu Liebe und Respekt führt und uns von selbst auf den richtigen Weg bringt, auch für gute Maßnahmen und neue Technik. Eine Wissenschaft, die aus sich selbst heraus schon eine Meditation und eine Therapie ist für das Klima. Und die Klima heilt.
Bild: Greta Thunberg am 28.2.2019 in Antwerpen. © Wilbert Lambrechts