Das Ende der Ehe?

Emilia Roig ist eine der wichtigsten feministischen Stimmen im heutigen Deutschland. Sie hat in Berlin das Center for Intersectional Justice gegründet. Mit ihrem neuen Buch über die Ehe will sie einmal mehr alte Denkmuster aufbrechen.


Es sind neue Kräfte am Werk. Die Genderdebatte, die LBGTQ-Bewegung, Gedanken zu dekolonisierendem Denken sind gerade für die jüngere Generation eine Selbstverständlichkeit. Dass nun auch noch die gute alte Ehe befragt wird, ist nicht ganz nur dem Heute zuzuschreiben. Schon seit den 1920er-Jahren und auch noch früher gab es Frauen, die sich bewusst dagegen entschieden haben, wenn auch ihr Los dadurch um einiges schwerer geworden ist. Das Hinterfragen der Ehe wird von Frauen geleistet, nicht von Männern. Denn was sich darin verändern kann, ist vor allem für sie relevant. Auch wenn Emilia Roig betont, dass die neuen Möglichkeiten für Männer genauso ‹gewinnbringend› wären. Sie identifiziert die Ehe deshalb als Unterdrückungsform, weil sie binäre Strukturen verhärtet, das Paarleben normiert, die Arbeit der Frau mit den Kindern nicht gleich wertet. Man kann genervt sein vom feministischen Duktus oder ihn als Befreiung erleben. Nach Sympathie oder Antipathie eröffnet sich jedoch ein Bewusstseinsseelen-Fragenraum: Was bedeutet es, in Beziehung zu sein? Welche Formen von Liebe und echtem Miteinander auf Augenhöhe wollen sich finden? Es kann nicht darum gehen, einfach so die Ehe abzuschaffen, weil es gerade modern ist. Es geht darum, unser gewähltes Miteinander immer wieder zu befragen und zu verstehen, dass es nicht für alle gleich ist. Die Dimension, die Roig kritisiert, liegt auf der sozialen Ebene, nicht auf der individuellen Wahl. Erst mit Mitte 20 wurde mir bewusst: Es gab Frauen in meinem Dorf, die nicht verheiratet waren, und ich habe sie immer als ein bisschen ‹unnormal›, auch bemitleidenswert empfunden. In meiner Lebenssphäre war ‹Mutter, Vater, Kind› normal. Diese soziale Normalität möchte Roig hinterfragen und für neue Möglichkeiten öffnen. Das ist der eigentliche Gewinn des Diskurses.


Titelbild Nima Izadi

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