Gerald Häfner, Leiter der Sektion für Sozialwissenschaften, führte ein Zoom-Gespräch mit Andrej Ziltsov, Priester der Christengemeinschaft, der in Odessa lebt.
«Ich fühle mich sicher unsicher, oder unsicher sicher», sagt Andrej Ziltsov am Anfang des Gesprächs. Obwohl regelmäßig militärische Ziele in der Umgebung der Stadt beschossen werden, gehört Odessa heute nicht zu den Städten, die direkt von der russischen Armee belagert werden. Ihre Geschichte und ihre geografische Lage machen sie jedoch zu einem möglichen strategischen Ziel. Ihre Bewohner leben in banger Erwartung.
Die Spannung ist so groß, dass es selbst für Menschen, die täglich mit Anthroposophie arbeiten, sehr schwierig ist, die Gefühle zu beruhigen. «Zu den Kriegsereignissen gehört dazu, dass ungewöhnlicherweise eine leichte Freude aufsteigt, wenn man hört, dass zum Beispiel Flugzeuge des Feindes abgeschossen wurden … Da merkt man, wie schwach diese Friedfertigkeit noch war, ja, dass man hinter dem Feind nicht so leicht Menschen sieht.»
Durch Andrejs Worte wird klar, dass solch eine Situation die Grenzen der menschlichen Natur auslotet und den Abgrund der Unmenschlichkeit sowohl im Äußeren als auch im Inneren erkennen lässt. Ein besonders günstiger Moment der Selbsterkenntnis für diejenigen, die die Kraft dazu aufbringen können. «Das wäre meine Hoffnung, dass dieser Krieg der Anlass zu einem großen Aufwachen wird», so Andrej. Dieses Erwachen ist insbesondere mit dem Bewusstsein des Todes verbunden. Auf die Frage, woher er und seine Freunde die Kraft finden, um in dieser Situation innerlich zu überleben, antwortet Andrej in drei Stufen. Es geht zuerst darum, zu lernen, mit dem Bewusstsein des Todes zu leben, in dem Wissen, dass der Tod von Natur aus unvorhersehbar ist. Angesichts dieser Prüfungen wird dann der zwischenmenschliche Raum unentbehrlich: «Man merkt, dass wir einander helfen, Mensch zu bleiben.» Und schließlich spielt die Kraft der Hoffnung eine zentrale Rolle: «Wir glauben, dass es eine friedvolle Zukunft gibt, […] diese friedvolle Zukunft ermöglicht uns, die Welt noch etwas besser zu machen, als wir das bisher geschafft haben.»
Mehr Das vollständige Interview können Sie sich auf goetheanum.tv oder Die Welt gestalten ansehen.
Andrej Ziltsov war an der Gründung der Sophia-Stiftung beteiligt, die heute Spenden zur Unterstützung von Personen entgegennehmen kann, die in der anthroposophischen Bewegung aktiv sind.
Kontoinhaber: GLS Treuhand
IBAN: DE63 4306 0967 0013 0227 10
Verwendungszweck: Sophia Konto 3502 4004 – Solidarität
Titelbild Andrej Ziltsov im Zoom-Gespräch mit Gerald Häfner; Quelle: Screenshot Goetheanum tv/‹Die Welt gestalten›