Nagomari, Georgien. Michail Starostin lernt, lehrt und lebt in der Gemeinschaft der Freien Universität in Nagomari, Georgien. Ein Interview.
Wie sieht ein Tag in der Nagomari-Gemeinschaft aus?
Ein Zeitplan kreiert Rhythmus und Räume, um zusammenzukommen, er nimmt jedoch der oder dem Einzelnen auch die Möglichkeit, individuell zu entscheiden, was zu einem bestimmten Zeitpunkt geschieht. Wir suchen nach einem Mittelweg. Wir beginnen den Tag mit Rudolf Steiners Seelenkalender, dann teilen alle im Kreis ihre Pläne für den anstehenden Tag. Wir sprechen die Sprachen derer, die gerade im Haus sind – meist sind das Deutsch, Russisch, Ukrainisch, Georgisch und Englisch. Es gibt immer viel zu tun: die Kühe, Hühner, Hunde und Katzen versorgen, die Arbeit im Gemüsegarten, am Haus, mit den Kindern aus der Nachbarschaft, Onlinekommunikation, Selbstbildung und unsere Kurse für Landwirtschaft und Kunst. Im Idealfall endet der Tag mit einem Kreis und dem Spruch von Herbert Hahn: ‹Erst, wenn ich Lichtes denke …›.
Auf welche Weise können Kunst und Landwirtschaft Frieden in der Welt unterstützen?
Kunst ist eine Sprache, die alle Menschen verstehen können. Nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen. Gleichzeitig hilft Kunst, die Eigenheiten einer oder eines Einzelnen, einer Gruppe und einer Nation zu verstehen. Die Landwirtschaft ist die ehrlichste Form des Umgangs mit der Erde, die Zuhause für alle Menschen ist. Durch die Arbeit mit dem Land, mit den Pflanzen und Tieren lernen wir, auf dieser gemeinsamen Erde Mensch zu sein.
Wie geht ihr mit Konflikten in der Gruppe um?
Unsere Arbeit ist freiwillig. Es gibt keine Verpflichtung, außer sich eigenverantwortlich für die Arbeit zu entscheiden. Daher sprechen alle offen über das, womit sie nicht einverstanden sind. Und alle haben die Freiheit, auszusteigen oder ihre Rolle im Projekt zu verändern. Wir sind bereit dafür, durch schwere Gemeinschaftskrisen zu gehen, denn wir wollen schließlich mit schweren Menschheitskrisen arbeiten. Wir verschließen uns nicht in unserer Schutzhülle, bleiben offen für alle Ereignisse der Welt. Wir sind bewusst verletzbar – das ist unser Weg, um zum Frieden in der Welt beizutragen.
Info leo.smirnov.09@gmail.com und karpovaglafa@gmail.com
Bild Youth for Peace