Was menschlich ist

Und das ist keine Schande, sondern es ist zutiefst menschlich. Es ist eine Art ‹condition humaine›, eine Grundtatsache des Menschseins: Jeder Mensch hat mehrere verborgene Baustellen und jeder Mensch hat mindestens eine zentrale Baustelle seines Charakters. (Und manche Menschen sind sogar besonders begabt mit einem ganzen Bündel – ‹Hoch-Begabte› sozusagen.) Es ist tief menschlich, die zentrale Baustelle – und einige andere – nicht zu sehen. Und es ist ebenso tief menschlich, vor der nur unbewusst geahnten, aber zentralen Baustelle wegzulaufen und an etlichen anderen Baustellen erfolgreich zu sein, nur um die entscheidende Baustelle nicht anzupacken. Aber es ist auch menschlich, nämlich menschenmöglich, die eigenen Baustellen zu erkennen – vielleicht sogar die zentrale – und nicht wegzulaufen. Denn das gibt es natürlich auch: willensstarke Persönlichkeiten, die ihre Umsetzungsstärke nicht einem Talent oder einer unbewussten Flucht verdanken, sondern ihrer Arbeit an sich selbst, und zwar an den entscheidenden Stellen, nämlich an den Stellen, an denen die Arbeit wehtut und Knochenarbeit ist.


Aus Valentin Wember, Willenserziehung – 60 pädagogische Angaben Rudolf Steiners. Tübingen 2015.

Graphik Sofia Lismont

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