Die Meditation führt über die Elemente und Leiber bis in den Wärmeäther, wo das Ich im Wollen wirkt und moralische Ideale den Organismus beleben. Sie gibt Anlass, auch in goetheanistischer Forschung das Ätherische zu erschließen und das Gute als schöpferische Kraft wirksam zu machen.
Die ‹Wärme-Meditation› hatte Rudolf Steiner im Frühjahr 1923 persönlich der jungen Ärztin Helene von Grunelius gegeben. Auch später wurde sie nur persönlich an einzelne Ärzte und Medizinstudierende weitergegeben, denen es ein Herzensanliegen war, sich in der Anthroposophischen Medizin weiterzubilden, sich esoterisch zu vertiefen und an zusätzliche Quellen heilender ätherischer Kräfte heranzukommen. Die jungen Ärzte hatten nach dem ersten Ärztekurs 19201 noch große Zweifel an der geisteswissenschaftlichen Methode des Heilens. Sie hatten Probleme, die geisteswissenschaftlichen Ansichten mit den üblicherweise gelehrten naturwissenschaftlichen Ansichten über den Menschen, auch in Diagnose und Therapie, zu verbinden. Wie sollten sie dieses Wissen in der Praxis anwenden? Sie waren etwas verloren, sie wollten eine Sicherheit. Das ist auch verständlich, wenn man die Verantwortung für einen kranken Menschen trägt und bisher vielleicht nur an zwei Kursen von Rudolf Steiner teilgenommen hatte. Madeleine van Deventer, Ärztin und später langjährige Leiterin der Arlesheimer Klinik, die zusammen mit Helene von Grunelius 1924 zwei Medizinerkurse in Dornach organisierte und innerlich mittrug, hat Rudolf Steiners Worte bei der Übergabe dieser Meditation an Helene von Grunelius erst Jahrzehnte später wie folgt niedergeschrieben: «Das macht doch nichts, Sie werden sich selbst im Laufe der Zeit korrigieren. Außerdem können Sie mir Ihre Hefte einschicken. Wenn Sie aber mehr ‹Sicherheit› bekommen wollen, kann ich Ihnen eine Meditation geben.» Es sei eine Ketten-Meditation, nicht eine Kreis-Meditation. Dann bezeichnete er sie als den Weg des Mediziners «zum Schauen des ätherischen Christus»2. Der Arzt Karl König, der Begründer der Camphill-Bewegung, hat diese Meditation im Dienste der vertieften Zusammenarbeit auch seinen nichtärztlichen Mitarbeitenden, den Therapeuten und Heilpädagoginnen, gegeben. Selbst als Ita Wegman nach der Weihnachtstagung die Leitung der Medizinischen Sektion übernahm, hat sie mit großem Ernst Helene von Grunelius immer um Erlaubnis gefragt, wenn es darum ging, die Meditation einem Menschen weiterzugeben. Das ging so weiter bis zum Jahr 1999, als sie zum ersten Mal publiziert wurde. Heute steht sie der Welt auch in einem Büchlein von Peter Selg zur Verfügung, das auch den geschichtlichen Hintergrund beschreibt3. Sie wurde mittlerweile an verschiedenen Orten publiziert.
Wärmeäther
Die Meditation beginnt mit einer Vorbereitung auf die Frage: Wie finde ich das Gute? Sie geht dann betrachtend durch die Elemente und die Leiber der menschlichen Organisation hindurch. Man findet dann das Gute letztendlich erst im Wärmeäther seines Leibes, wo das Ich wirkt und sich durch das Wollen verwirklicht. Nur im Wollen findet man das Gute. Und wenn man es durch die Vorbereitung findet, befeuert dieses moralische Ideal den Wärme-Organismus so, dass es durch seine Anregung und Belebung zur weiteren Belebung auf den übrigen Organisationsstufen des Menschen kommt. Das führt zu lichtätherischen Veränderungen in der luftförmigen Organisation, weiter zu tonätherischen Veränderungen in der Flüssigkeitsorganisation und letztendlich zu lebensätherischen Veränderungen in der festen Organisation des Menschen4. «Indem die Ätherleiber wieder belebt werden, schauen sie den Christus.»5 Das heißt, wir werden zum tragenden Organ der Christus-Erfahrung «in seinem Ätherleib».6
Diese Meditation kann in einem gewissen Zusammenhang auch unserem goetheanistischen, esoterisch-vertieften Anliegen helfen. Wir haben keine spezielle Meditation zu diesem Zweck bekommen, aber wir haben mit der Sphäre des Lebendigen eigentlich am meisten zu tun. Die Frage nach dem Ätherischen, bei der die Wärme der Ausgangspunkt ist, ist von Anfang an in der Naturwissenschaftlichen Sektion unsere Kernfrage. Der Unterschied zur Medizin ist, dass wir das Lebendige draußen in der Natur und nicht im Inneren des Menschen studieren, welcher natürlich auch Teil der Natur ist. Weil wir das Ätherische in der Natur differenzierend und zugleich tief erlebend untersuchen wollen, sind auch wir zum Schauen des Christus im Ätherischen aufgerufen. Aber um dahin zu kommen, müssen wir die hinter dem Ätherischen in der Natur stehenden moralischen Impulse entdecken. Dieser Weg dahin wurde von Rudolf Steiner im Zyklus ‹Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes›7 auch beschrieben.
Die Wärme moralischer Ideale
Gerade unsere moralischen Ideale haben eine wesentliche Bedeutung für die Evolution von Erde und Kosmos: «Sie ahnen an dieser Stelle, was das Leben, das ausgegossen ist in der Welt, eigentlich ist. Wo liegen die Quellen des Lebens? Sie liegen in dem, was die moralischen Ideale anregt, uns sagen zu müssen, dass, wenn wir heute uns durchglüht sein lassen von moralischen Idealen, diese Leben und Ton und Licht hinaustragen und weltschöpferisch werden. Wir tragen das Weltenschöpferische hinaus, und der Quell des Weltenschöpferischen ist das Moralische.»8 In dieser Meditation ist also die Frage nach dem Guten zentral. Das Gute findet man – der Meditation nach – nur im Wollen, welches vom Ich des Menschen ausgeht und im Wärmeäther des Menschen wirkt. Die Wärme stand entsprechend der ‹Geheimwissenschaft im Umriss›9 am Anfang aller Evolution des Menschen, der Erde und der später entstandenen Naturreiche. Sie wurde als Opfer der höheren Hierarchien, aus guten Intentionen, aus ihren moralischen Quellen in das Physische eingegossen. Wir sollten in unserer goetheanistischen Arbeit wieder an die Wärme anknüpfen, um auch heute zum Guten für die Welt zu kommen – auch in der Bedeutung der Naturwissenschaft für die Welt. Aber wie? Bei uns geht es um die Intensität unseres Willens, uns in ein anderes Wesen erlebend hineinzuversetzen, in das Wesen und seine Entwicklung lauschend einzutauchen, dieses Wesen metamorphosierend und mit Interesse und Hingabe bewusst zu betrachten und zu einer differenzierten ätherischen Anschauung seines Wesens zu kommen. Dann werden wir als ein Werkzeug für das Schauen des ätherischen Christus in der lebendigen Natur.
Illustration Gestaltungsteam der Wochenschrift
Fußnoten
- Rudolf Steiner, Geisteswissenschaft und Medizin. GA 312, Dornach, 7. Auflage, 1999.
- Madeleine Van Deventer, Die anthroposophisch-medizinische Bewegung in den verschiedenen Etappen ihrer Entwicklung. Arlesheim 1992, S. 24.
- Peter Selg, Die ‹Wärme-Meditation›. Geschichtlicher Hintergrund und ideelle Beziehungen. Verlag am Goetheanum, 4. Auflage, 2018.
- Rudolf Steiner, Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen. GA 202, Dornach 1993, S. 187.
- Rudolf Steiner, Die okkulte Bewegung im neunzehnten Jahrhundert und ihre Beziehung zur Weltkultur. GA 254, Dornach 1986, S. 109.
- Rudolf Steiner, Der Christus-Impuls und die Entwicklung des Ich-Bewusstseins. GA 116, Dornach 1982, S. 93.
- Rudolf Steiner, Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes. GA 134, Dornach, 5. Auflage, 1990.
- Rudolf Steiner, Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen. GA 202, Dornach 1993, S. 189.
- Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss. GA 13, Dornach, 30. Auflage, 1989.








