Eine neue Studie von Jürgen Fritz über die beiden biodynamischen pulverisierten Präparate hat einen wichtigen Schritt gemacht, um ihre Wirkung wissenschaftlich zu erklären. Neue Analysetechniken zeigen, dass sie wie Inokulationen wirken, die Mikroorganismen fördern und so das Pflanzenwachstum unterstützen.1 Die Kritik am biodynamischen Landbau verstummt trotzdem nicht. Wie kann man die Kluft zwischen den verschiedenen Weltanschauungen überwinden?
Trotz seriöser wissenschaftlicher Studien verspotten Kritiker der Biodynamik diese weiterhin und bezeichnen sie als pseudowissenschaftlich, vor allem in Frankreich. Das ‹materialistische Paradigma› kann solche Praktiken irgendwie nicht einordnen. Eine neue Strömung in der Naturanthropologie könnte aber eine Brücke schlagen. Sie ist in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern entstanden: in den USA und Kanada mit Donna Haraway und Eduardo Kohn, in Kolumbien mit Arturo Escobar, in Brasilien mit Eduardo Viveiros de Castro, in Belgien mit Vinciane Despret oder in Frankreich mit Bruno Latour und Philippe Descola.
«Die Ökologie muss aufhören, sich als Teil der Naturwissenschaften zu sehen […], und sich in eine Phänomenologie des Geistes jenseits des Menschlichen verwandeln: Sie muss, wenn auch nur implizit, davon ausgehen, dass das Leben überall denkt und spricht und dass das, was uns als Unterschied der Natur erschien, nur eine Vielzahl kultureller Ausdrucksformen ein und derselben Natur war.» So beschreibt der italienische Philosoph Emanuele Cocia2, Autor des bemerkenswerten Buches ‹Die Wurzeln der Welt: Eine Philosophie der Pflanzen›3, diese Revolution.
Der bekannte Anthropologe Philippe Descola hat während eines Aufenthalts bei den Achuar-Indianern im Amazonasgebiet ein entscheidendes Experiment gemacht. Als er feststellte, dass er mit keinem seiner anthropologischen Konzepte diese Menschen verstehen konnte, versuchte er, seine Ideen aus der genauen Beobachtung ihrer Lebensweise zu entwickeln, ganz im Sinne Goethes. Er beschrieb vier ‹Ontologien›, vier Arten, die Welt zu verstehen: Naturalismus, Animismus, Analogismus und Totemismus.4 Bei näherer Betrachtung lassen sich wichtige Ähnlichkeiten zu den vier Stufen der Bewusstseinsentwicklung erkennen, die Steiner in seinen ‹Leitsätzen›5 beschrieben hat.
Diese Arbeiten, zusammen mit denen von Bruno Latour, waren für viele junge Anthropologen und Anthropologinnen eine wichtige Grundlage, um sich mit Biodynamik zu beschäftigen. Nachdem er sich mit traditionellen Bevölkerungsgruppen in Mexiko beschäftigt hatte, tauchte zum Beispiel der Soziologe Jean Foyer in die Welt der Biodynamik in seiner Heimatregion Anjou ein. In seinem Buch ‹Die Wesen der Rebe›6, das auf fünf Jahren Feldforschung basiert, zeigt er, dass Anhängerinnen und Anhänger der Biodynamie keineswegs in einer einzigen Ontologie gefangen sind. Sie können einen ‹naturalistischen› Ansatz verfolgen, indem sie die Welt von außen wissenschaftlich beobachten, um dann zu Betrachtungen überzugehen, die dem ‹Analogismus› zuzuordnen sind, wenn sie den Makrokosmos im Mikrokosmos spiegeln sehen, und dass sie manchmal einen ‹animistischen› Ansatz verfolgen, wenn sie mit ihren Pflanzen und Tieren sprechen, oder sogar einen ‹totemistischen› Blickwinkel einnehmen, wenn sie sich für Archetypen von Tieren und anderen Wesen interessieren. Ist das etwa die Freiheit des Denkens? Je nach Situation lernen, von einer zur anderen zu wechseln und jeder Ontologie ihren Wert zurückzugeben?
Die Anthropologin Stéphanie Majerus hat gerade eine Forschungsarbeit7 veröffentlicht, in der sie die Entwicklungen der Biodynamik in Deutschland und der Schweiz untersucht und sich mit den soziopolitischen Besonderheiten, den phänomenologischen Dynamiken des Bewusstseins, den Interaktionen zwischen Menschen und Tieren sowie dem besonderen Wissenschaftsverständnis in der Anthroposophie beschäftigt. Sie zeigt, dass wir untrennbar in ein Netzwerk aus menschlichen und nicht menschlichen Akteuren eingebunden sind, und schließt ihren Artikel mit einem Verweis auf Donna Haraway, die diese ‹Allianzen› zwischen den Arten in ihrem Werk ‹When Species Meet›8 thematisiert hat. Alexandre Grandjean, ein junger Religionswissenschaftler, der sich ebenfalls mit Biodynamik beschäftigt hat, erweitert das Thema: «Neue Stimmen und neue Arten, über Ökosysteme zu sprechen, tauchen im Westen auf. […] In diesen Stimmen sind Umwelt- und Ökologiethemen sowohl politische als auch moralische Themen. Sie haben mit Werten, Bedeutungen und der Sichtweise zu tun, mit der wir uns selbst und unsere Umgebung betrachten.»9
Dank dieser Denkanstöße aus den Umweltwissenschaften, vor allem von Leuten wie Baptiste Morizot, Estelle Zhong-Mengual, Corine Pelluchon und Gérald Hess, die sich mit sensiblen Ansätzen zum Lebendigen beschäftigen, entsteht ein neuer Raum. Eine wichtige Herausforderung ist die Entwicklung eines fruchtbaren Dialogs zwischen diesen sensiblen Ansätzen und den Agrarwissenschaften, um postmoderne Perspektiven zu entwickeln, die nicht in der naturalistischen Ontologie stecken bleiben. So zeichnen sich die ersten Konturen einer neuen Modernität ab, die sensibler und respektvoller gegenüber dem Lebendigen ist und zu deren Entstehung die biodynamische Bewegung beiträgt.10
Übersetzung aus dem Französischen von Louis Defèche
Foto Xue Li
Fußnoten
- Felix Milke et al., Enrichment of putative plant growth promoting microorganisms in biodynamic compared with organic agriculture soils. ISME Communications, Band 4, Nr. 1, 2024, S. 1–12, DOI: 10.1093/ismeco/ycae008.
- Bruce Albert und Davi Kopenawa, Yanomami, l’esprit de la forêt. Vorwort von Emanuele Coccia. Actes Sud, Arles 2022.
- Emanuele Coccia, Die Wurzeln der Welt: Eine Philosophie der Pflanzen. Hanser-Verlag, München 2018.
- Philippe Descola, Jenseits von Natur und Kultur. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer, Suhrkamp, Frankfurt/Main 2011.
- Rudolf Steiner, Anthroposophische Leitsätze. GA 26, Rudolf-Steiner-Verlag, Dornach 1925.
- Jean Foyer, Les êtres de la vigne : Enquête dans les mondes de la biodynamie. Éditions Petra, Paris 2024.
- Stéphanie Majerus, Ackerbau des Lebendigen: Tiere, Wissenschaft und Anthroposophie in der biodynamischen Landwirtschaft. Transcript-Verlag, Bielefeld 2024. ISBN 978-3-8376-7038-7.
- Donna J. Haraway, When Species Meet. University of Minnesota Press, Reihe ‹Posthumanities›, Minneapolis 2008.
- Alexandre Grandjean, Arborescence: les voix spirituelles de l’écologie. Hélice Hélas, Vevey 2022.
- Um zur Entwicklung einer solchen neuen Modernität in Frankreich und im französischsprachigen Raum beizutragen, hat sich im Herbst 2024 eine Gruppe von Menschen, Forscherinnen, Bauern, Ausbilderinnen und Aktivisten zusammengeschlossen, um das ‹Institut du Vivant et des communs› zu gründen.








