Eine pfingstliche Hochschultagung in Moskau

Was niemand in den letzten Monaten für möglich gehalten hatte, gelang: die Durchführung einer Tagung der Hochschule für Geisteswissenschaft in der russischen Hauptstadt Moskau am vergangenen Pfingstwochenende.


50 Menschen waren zum Teil von weit her angereist, um an dieser mit großen Hoffnungen erwarteten Begegnung teilzunehmen. Sie kamen aus Petersburg, aus Jekaterinburg, aus Samara, aus dem 3000 Kilometer entfernten Altaigebirge und auch aus der näheren und weiteren Umgebung von Moskau. Wie im vergangenen Jahr wurden – aus Dornach kommend – Astrid Prokofieff für die Eurythmie und Christian Breme für Vorträge und zeichnerische Übungen erwartet. Thema der Tagung: ‹Der Bau und der Michaelsweg›.

Kleine Szenen aus dem vierten Mysteriendrama waren von den russischen Mitgliedern vorbereitet worden und wurden an bestimmten Stellen in die Vorträge eingeflochten. Ergänzt wurde dies durch das Zeichnen des Grundrisses und der Südansicht des ersten Goetheanumbaus und ebenso von Kapitellen und Architravmotiven. In der Eurythmie wurde die Verbindung zwischen der menschlichen und der hierarchischen Welt, wie sie sich in allen plastischen Formen ausspricht, bewegt. Da lebte Pfingsterwartungsstimmung in einer am Abgrund stehenden Welt.

Immer wieder wurde der Blick auf das Bild ‹Der goldene Tempel› von Hermann Linde gelenkt. Vor 100 Jahren wurde es in Dornach in einem Atelier neben dem gerade fertiggestellten Bau gemalt. Kurz danach fiel dieser dem Feuer zum Opfer. Wir fanden die Personen des Goethe’schen Märchens: die Schlange, die Könige, den Alten mit der Lampe und seine Frau, den Fährmann. Im Zentrum erkannten wir den Jüngling, stehend vor dem Menschheitsrepräsentanten unter der kleinen Kuppel. Er ist gewendet zum Betrachter, zum roten Fenster, zu seiner Erdenaufgabe … Die Zeichen im Architrav der kleinen Kuppel zeigen die Weltenmitternachtsstunde an. Die Ahnung, dass wir selbst vor unserer Inkarnation an diesem Ort der geistigen Welt gestanden und Entschlüsse für den kommenden Weg auf der Erde gefasst haben, dies bewegte uns sehr. Die Frage, wo wir Spuren in unserer Seele und Erinnerungen an diese Entschlüsse auffinden können, beschäftigte uns in den Gesprächen. Im Zentrum stand immer wieder die Frage: Gibt es ein gesteigertes Erwachen für diese Schicksalsschicht? Die 13. und die 16. Klassenstunde wurden von den Lektoren Pjotr Tschaikovskij (Moskau) und Oleg Bogarjev (Petersburg) gelesen. Diese Stunden wurden zu Höhepunkten der Tagung.

Ergreifend war das Lied von einer Teilnehmerin, das sie am Ende vortrug: Ein Michaelsruf von Stephan Degtyarev. Zuvor hatte sie mir noch von dem seit 8 Jahren (!) in ihrer Heimatstadt Donbas herrschenden Kriegszustand berichtet, von den schwierigen Lebensverhältnissen der russischen Bevölkerung, zu der sie und ihre Familie gehört. Beim Abschied äußerten viele Teilnehmende große Dankbarkeit über den Versuch, in einer Zeit, wo viele Brücken auf der Erde abgebrochen werden, gemeinsam eine Brücke zwischen unten und oben zu bauen – dem Pfingstgeist entgegen.


Bild Säulen im Modell des Ersten Goetheanum. Foto: Xue Li

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