Im Jahre 1945 verstarb im Internierungslager in Prag der deutsch-tschechische Künstler Josef Prinke an Misshandlungen und Erschöpfung. Die Witwe Agnes Prinke rettete seine Werke von Schutthalden. Sie flüchtete nach Zeiten schwerster Zwangsarbeit mit einem Koffer voller Bilder 1945 nach Köngen bei Stuttgart.
Josef Prinke wurde 1891 in Brüx/Nordböhmen geboren. Als Sohn eines Försters lebte er naturverbunden auf. Da sein Vater von einem Wilderer erschossen worden war, fehlten ihm die Mittel zu einem ersehnten Kunststudium. Bei der Teilnahme am Ersten Weltkrieg wurde er durch ein vergiftetes Schrapnellgeschoss schwer verwundet. Zunächst in die Totenkammer transportiert, siegten seine Lebenskräfte. Nach drei Jahren Lazarettaufenthalt konnte Prinke von 1918 bis 1921 als Kriegsversehrter in Prag an der Kunstakademie studieren. Er wurde Schüler des expressionistischen Malers August Brömse (1873–1925). Diese gesundheitliche Auferstehung war zugleich ein geistiger Neuanfang. In der Zeit der Rekonvaleszenz fiel ihm das Buch Rudolf Steiners ‹Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?› in die Hände. Zu Beginn der 1920er-Jahre bildete sich Prinke in der Schweiz weiter, wobei er zwischen 1920 und 1924 Rudolf Steiner persönlich begegnete. Gespräche mit ihm über Malerei setzten neue künstlerische Impulse.
Josef Prinkes weiterer Lebensschwerpunkt lag in Prag. Hier entwickelte er mit Anregungen durch Rudolf Steiner ein eigenständiges Werk mit experimentellen Techniken und Forschungen in der Verwendung vielfältiger Malmittel. Steiner zu Prinke: «Ein Maler soll sich mit vielen Maltechniken beschäftigen und jeder Technik das Licht abringen! Farbiges Strömen und Leuchten in allen Stimmungen!» Erholungsreisen führten ihn mehrfach in die Südschweiz. Prinke gab Malkurse und beteiligte sich mehrmals an Ausstellungen. Er gehörte zu den Unterzeichnern des ‹Aufrufs an die Akademische Jugend› im Herbst 1920 in Dornach, im Anschluss an Rudolf Steiners Vortrag ‹Die Erkenntnisaufgabe der Jugend›.
Schöpfungselemente zu entdecken
Prinkes Farbblätter sind ganz aus dem Einleben in die Welt der Farbe hervorgegangen. Das Erste, was wir erleben, sind differenzierte Farbflächen. Der ganze Farbkreis ist beteiligt und entfaltet sich in seiner Fülle und Spannung: Purpur – Grün, Blau – Orange, Gelb – Violett. Jede Farbe hat ihren eigenen Bereich, tritt, ohne sich scharf abzugrenzen, rein in Erscheinung. Oben schimmert mit Sternen helles Licht. Die Farben erscheinen wie zarte Schleier, die leise hin und her wehen, sich durchdringen und lösen. Aus diesen transparenten Farbschichtungen erscheint in den Farbbewegungen etwas Wesenhaftes!
Es ist von allergrößter Wichtigkeit, darauf zu achten, mit welcher Hingabe hier ein Maler mit der Farbe umgeht. Es ist notwendig, lange Zeit dabei zu verharren, zunächst nur das Weben der Farben anzuschauen und mit ganzer Aufmerksamkeit dem lebendigen Werdeprozess, der sich im Farbigen abspielt, in allen seinen unendlichen Beziehungen nachzugehen. Es wird dann mehr und mehr etwas von staunender Ehrfurcht vor dem Farbenleben spürbar werden, etwas von dem Wesenhaften der Farben. Erst von da aus sind wir fähig, die in den Farbenfluten sich bildenden Gestalten in der richtigen Weise wahrzunehmen und zu ergreifen. Sie entstehen wirklich aus der Farbe, jetzt, in diesem Augenblick. Im Grunde erleben wir in dem Bilde den Status Nascendi, den Augenblick des Geborenwerdens der Gestalten. Es wird uns zugleich auch bewusst, dass diese Gestalten gar nicht in eine physische Existenz gehen, sondern in einem geistigen Bereich leben. Deshalb müssen sie auch, anders als physische Körper, in einer transparenten Weise ergriffen werden. Sie sind nur angedeutet, nur so weit sichtbar, dass der Betrachter sie erkennen und in seiner eigenen Seele nachbilden, ausgestalten kann. Diese aktive, schöpferische Tätigkeit wird vom Betrachter verlangt. In diesem kleinen Bildformat ist die ganze Größe des Kosmos zu erahnen: Sterne, schöpferische Genien, Pflanzenhaftes, und unten im flammenden Orange angedeutete Fischformen! In der Farbskizze kann der Tagebucheintrag Prinkes erinnert werden: «In den Farben klingt das Weltall auf.»
Erhalten sind Farbholzschnitte von J. Prinke zu Goethes ‹Märchen›. Darin ruft der Alte mit der Lampe: «Es ist an der Zeit!» Mit diesen Worten wird im Märchen ein neue Entwicklung eingeleitet, sodass auch Prinke aus dem Rätselmärchen heraus notiert: «Es ist an der Zeit, die innere Wandlung zu vollziehen, ein Mensch zu werden, der die Verantwortung vor der geistigen Welt auf sich nimmt und die moralische Konsequenz daraus zieht.»
Der Maler Julius Hebing notierte nach Betrachtung von Prinkes Bildern in seinem Buch ‹Lebenskreise Farbenkreise›: «Prinke hat sichtbar aus dem Verkehr mit Rudolf Steiner das für sich bekommen, was seine Anlage zur schönsten Entfaltung brachte. Er hat das Alte in sich so wunderbar durchleuchtet, man kann schon sagen durchchristet, dass man in jedem Blatte die Spiritualität der Farbe als das Inhaltgebende und Formende empfindet. Dass man nicht zuerst ein Motiv, einen Inhalt vor sich hat, der dann farbig gestaltet wird, – nein, da ist Farbiges Inhalt … Da ist Anthroposophie schon in einem tiefen Sinn spürbar; nicht dadurch, dass man ‹Wesenheiten› malt, sondern dadurch, dass Farbe wesenhaft geworden ist.»
Betrachten wir ein weiteres Werk des Künstlers: Kraftende mehrfarbige Linien kreisen in gelb-orange nuanciertem Licht. Von oben, das Bildformat sprengend, strömt eine weitere Bewegung. Alles ist Farbdynamik, aus dem Umkreis strömend in die Mitte, wo eine Figur im Kraftfeld der Linien zu erkennen ist, in der Herzgegend ist der Bildmittelpunkt. Die Gebärde der gewinkelt emporgehobenen Arme deutet die Ka-Gebärde an, die uns als Bild lebendiger Kräfte aus dem Alten Ägypten bereits begegnet!
Fern von Erstarrung und stumpfen Farben tastet sich Prinke in einen Neuanfang, der aus den Impulsen Rudolf Steiners eine individuelle schöpferische Sprache in oft kleinformatigen Bildkeimen entstehen lässt.
Der Autor verdankt wichtige Hinweise dem Künstler und Kunsterzieher Werner Löffler (1904–2001), der Teile des Nachlasses verwaltet hat und in zahlreichen Vorträgen in den 1960er- und 1970er-Jahren in der ehemaligen DDR Leben und Werk von Josef Prinke vorstellte.
Ausstellung
‹In den Farben klingt das Weltall auf›
Die Galerie Gebrüder Lehmann, Neustädter Markt 11/12, 01097 Dresden zeigt vom 12. April bis 31. Mai neu entdeckte Arbeiten des Künstlers.
Eröffnung: Fr, 11. April, 16 Uhr
Vortrag von Andreas Albert zu Leben und Werk von Josef Prinke am 8. Mai, 18 Uhr, in der Galerie