Zu Besuch in einem anderen Land zeige ich den ‹fremden› Menschen und ihrer Kultur meine Wertschätzung, indem ich versuche, in ihrer Sprache zu danken, auch zu grüßen oder mich zu verabschieden. Ich nehme einen Teil des anderen, des Unvertrauten anerkennend in mich auf. Danken ist eine Brücke aus mir heraus zum anderen hin. Das gilt grundsätzlich, egal in welcher Sprache.
Bitten baut auch Brücken, aber irgendwie mehr nach innen, zu mir selbst. Wer nicht weiß, worum er bittet, weiß nicht, wer er selber ist. Bitten heißt, sich darüber bewusst zu sein, dass und was man braucht, aber allein nicht vollbringen kann. Bitten erkennt die eigene Unzulänglichkeit, Schwäche und Bedürftigkeit an, ja liebt sie vielleicht sogar. Denn wir Unzulänglichen brauchen einander.
Das tiefste Bitten ist das Gebet. Im Beten wende ich mich an eine Instanz, die mich umfasst und inwendig kennt. Im Gebet richtet sich mein Bitten, wie ein umgestülpter Dank, an das Unbekannte, was mich sieht, erkennt und teilhaben lässt. Ich finde mich in einer Einheit, in der ich auch danken kann.
Bitte und Dank sind verbindende Wesen, Beziehungsstifter. Sie sind die Pfeiler der Brücke, die sich spannt zwischen Du und Ich, zwischen Mensch und Gott. Sie sind vielleicht sogar der Boden, auf dem auch Frieden möglich ist.
Bild Sibylle Wissmeyer, Ohne Titel, Acryl auf Karton, 2017/18