Einblicke in einige der Gruppen, die in Sekem gearbeitet haben. Wer Interesse hat, ebenfalls an einem dieser Themen zu arbeiten, kann über die World Goetheanum Association (WGA) in Kontakt kommen. Ein großer Dank an alle, die mitgewirkt haben, dass dieses Forum so möglich wurde.


Aktiver Friedenswille

Ägypten grenzt an Israel und Gaza. Während wir im wunderschönen Sekem tagten, litten dort jeden Tag Millionen Menschen Todesangst, verloren Haus, Wohnort, Arbeit, Freunde, Verwandte, Gesundheit – viele sogar das Leben. Es gibt definitiv nichts Schlimmeres – für Natur, Erde, Klima und Leben, für uns selbst und alle Mitgeschöpfe – als Krieg. Spätestens nach den schrecklichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts bestreitet das niemand.

Wie erklärt sich vor diesem Hintergrund die Rückkehr der Kriege? Nicht nur ihre Anzahl, Heftigkeit und Dauer nehmen wieder zu. Auch das öffentliche Denken, Reden, Empfinden und Handeln wird immer kriegerischer. Rüstungsfirmen, -aktien und -haushalte boomen wie nie zuvor. Selbst die Kinder und Jugendlichen will man wieder für das Geschäft des Tötens gewinnen.

Vor diesem Hintergrund entstand, ausgehend von Silke Schwarz, David Martin und Gerald Häfner, der zarte Keim einer neuen Initiative. Sie entwickelt sich seit Sekem weiter. Ihr Ziel ist – jenseits herkömmlicher Grenzen und Disziplinen – der Logik von Ausgrenzung, Ablehnung, Aggression und Konfrontation eine des Ausgleichs, der Verständigung, von Dialog und Kooperation entgegenzustellen.

Gerald Häfner


Demeter-Textilstandards

Naturetex produziert seit mehreren Jahrzehnten als erstes Unternehmen biologische und biodynamische Baumwollprodukte und exportiert diese weltweit. Biodynamische Farbstoffe werden seit 2025 ebenfalls entwickelt, in Zusammenarbeit mit einem Partnerunternehmen in der Türkei. Aktuell arbeitet Naturetex auch am Thema Upcycling, um die gesamte geerntete Baumwolle möglichst komplett zu verwenden. Die Remei, vertreten durch Simon Hohmann, ist ebenfalls seit mehreren Jahrzehnten Pionierin im Bereich Biobaumwolle und produziert in Tansania und Indien. Teilnehmende aus Projekten in Indien nahmen an der Arbeitsgruppe teil. Eine bunte Gruppe von Menschen fand sich zusammen, vereint im Bestreben, ganzheitlich, sozial und zukunftsorientiert zu wirtschaften. Zentrale Fragen für diese Arbeitsgruppe waren der aktuelle Stand der Demeter-Textilstandards. Sie sind bisher nur teilweise fertiggestellt und noch in Entwicklung. Des Weiteren ging es um die mögliche Vereinfachung dieser Standards, oder den Ausbau bereits bestehender Standards, damit sie bald eingeführt werden können. Außerdem tauschten wir uns über eine mögliche Zusammenarbeit sowie über Entwicklungs- und technische Fragen, aber auch über kulturelle und soziale Themen aus – ein Austausch, der als große Bereicherung empfunden wurde und im Wirtschaftsleben nicht selbstverständlich ist.

Konstanze Abouleish

Konstanze Abouleish, Foto: Samuel Knaus

Wege zu einer neuen Wirtschaft

Initiativen wie die in Indien von Benita Shaw mit ca. 150 000 Farmern oder SACDEP in Kenia mit über 10 000 Bäuerinnen und jetzt auch in Ägypten, wo es bald ca. 40 000 Landwirte und Landwirtinnen geben wird, die ihre Flächen biodynamisch bewirtschaften, zeigen uns im Wesentlichen drei Ebenen auf: Diese Anbauweise ist wirtschaftlicher, es entsteht mehr Gemeinschaft (Resilienz der Gruppen) und es ist für alle Beteiligten inklusive der Natur gesünder. Gleichzeitig erleben wir in vielen Teilen der Welt, insbesondere in Afrika, eine fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft und eine weitere Konzentration von Landeigentum auf Investoren aus dem Ausland. Wer will helfen, die über Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen der biodynamischen Anbauweise gerade in Gebieten, wo Menschen und künftige Generationen sich gut selbst versorgen wollen, stärker bekannt zu machen? Die Demeter-Vereinigung in Ägypten bietet diesbezüglich Führungen für Delegationen an.

Hend Hany/Naglaa Ahmed


World Goetheanum Association Afrika

Warum gibt es in anderen Ländern Afrikas nicht ähnliche Projekte wie Sekem? Seitdem die Kriterien für die ‹Ökonomie der Liebe› verfasst wurden, liegt eine weitere Grundlage für das ganzheitliche Erfassen der Sekem-Idee vor. Das hat zum Beispiel auch Mohammed und sein Team in Marokko inspiriert, ‹Homeland Morocco› als Dorf-Initiative in der Gemeinde von Ourtzagh (in der Provinz Taounate) zu begründen. Das Sekem-Team hat sich den Fragen der afrikanischen Teilnehmenden gestellt. Schon vor ca. einem Jahr ist die WGA Afrika unter der Leitung von Verena Maasdorp (ehemalige biodynamische Landwirtin aus Krumhuk, Namibia) gestartet. Sie will Unternehmungen mit Anliegen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung auf dem Kontinent verbinden.

Verena Maasdorp


Neu in den Dialog treten

Das Forum hat meine Sichtweise in einigen Bereichen verändert, in anderen bestärkt, neue Wege zu gehen. Einer der für mich zentralen Sätze war «das alte System beim Sterben würdevoll begleiten». Auch wenn ich aus meiner Arbeit als Musiktherapeutin auf Palliativstationen weiß, wie wichtig und unablässig es ist, das Sterben liebevoll und würdevoll zu begleiten, habe ich in meiner Tätigkeit als Forscherin der Nachhaltigkeit diesen Aspekt noch nicht viel bewegt. Was bedeutet es, veraltete Systeme wie das Patriarchat, eine postkoloniale Ökonomie und Rassismus in neue Visionen und Wege zu begleiten? Welche dürfen, sollten, müssten sterben, wenn es um Nachhaltigkeit und unsere Zukunft geht? Wie können wir uns selber immer wieder daran erinnern und auch ermahnen, dass ein Kämpfen gegen Generationen, andere Kulturen oder auch Ideologien nie eine endgültige Lösung war? Stattdessen braucht es Verständigung, Empathie und konkret gelebte Praxis – getreu dem Motto einer Sekem-Mitarbeiterin: «Wir kämpfen nicht gegen Menschen – wir laden sie ein und zeigen ihnen, was wir tun!» Das bedeutet für mich unter anderem: meine Nachbarschaft in meinen Garten einzuladen, biodynamische Lebensmittel zu servieren und so konkret ins Gespräch kommen zu können – über Nachhaltigkeit, Politik und unsere gemeinsame Zukunft.

Lin Bautze-Boeke


Expedition Source – Leadership-Programm

In Sekem konstituierte sich der Vorstand des neuen Leadership-Programms ‹Expedition Source› – einer Kooperation von World Goetheanum Association, Natu­raSi, Ruskin Mill, Goetheanum und Sekem. Die Expedition will im Dialog mit den Teilnehmenden und in Anknüpfung an die jeweils individuellen Fragen den eigentlichen Führungsqualitäten auf die Spur kommen, die nachhaltige Kulturimpulse möglich machen. Die einjährige Expedition startete vom 21. bis 23. November.

Mehr ‹Expedition source›


Kontakt association@worldgoetheaum.org

Bild Vorbereitungsteam: Katharina Hofmann (links), Lin Bautze-Boeke, Johannes Kronenberg, Naglaa Ahmed, Andrea Validnoci, Helmy Abouleish, Foto: Samuel Knaus

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