Pädagogik per Post

Bramsche, Deutschland. Künstlerische Bilderwelten, die Fantasie und Kreativität anregen, sind die Signatur der Kinderzeitschrift ‹Vorhang auf›. Im Dezember feiert sie ihren 35. Geburtstag. Ein Interview mit dem Gründer und Verleger Eckehard Waldow.


Mit welcher Intention hast du ‹Vorhang auf› ins Leben gerufen?

Das Leben führte mich 1989 an einen Ort ohne Waldorfschule, sodass ich meinen geliebten Beruf als Klassenlehrer nicht mehr ausüben konnte. Stattdessen wurde mir die Idee geschenkt, meine Pädagogik per Post zu versenden – ‹Vorhang auf› war geboren. Meine Intention liegt im Zeitschriftennamen: bei jedem Thema den Vorhang ein wenig zu öffnen, der vor dem Sinnesschein liegt, auf fantasievolle Art auf das Wesentliche zu deuten, also Waldorfpädagogik außerhalb der Schule anzubieten.

Was braucht Fantasie in jedem Alter, um zu blühen?

Betätigung. So wie die Muskelkraft erschlafft, wenn wir krank im Bett liegen, so auch die Fantasie, die bildschaffende Kraft in uns, wenn wir sie nicht anwenden. Ständig erzeugen wir Bilder: Wahrnehmungsbilder, Erinnerungsbilder, Vorstellungen von Zukünftigem. In jedes Denken und Handeln spielen Bilder hinein. Je stärker die bildschaffende Fantasie, desto wirksamer unser Verstehen und Handeln. Die Bildkräfte metamorphosieren sich im Laufe des Lebens deutlich.

Woher kommen deine Ideen?

Wie kommt Neues in die Welt? Ich kann bisher zwei Quellen meiner Ideen ausmachen: Die eine öffnet sich, wenn wir eine Frage an unsere Erfahrung stellen, an unsere im Halbbewussten schlummernden Erinnerungen, und mit der reproduzierenden Fantasie assoziativ nach neuen Lösungen suchen. Was dabei herauskommt, sind nicht wirklich neue Ideen, aber neue Kombinationen von Bekanntem. Zum Beispiel wollten wir zum 35-jährigen Bestehen einen neuartigen Adventskalender entwickeln. Die Suche danach führte mein Erleben vieler vergangener Adventsmonate mit dem des Mitspielens in vielen Weihnachtsspielen zusammen – und gestaltete sich zu unserem innovativen ‹Oberuferer Adventskalender›. Die zweite Ideenquelle ist die Intuition, die Wahrnehmung der geistigen Impulse. Da verbindet sich die eigentliche schöpferische Fantasie mit dem Überbewussten. Was dadurch in mir als Impuls ersteht, wie zum Beispiel damals die Idee, ‹Vorhang auf› zu begründen, erlebe ich dankbar als Geschenk. Wir können es nicht willkürlich herbeiführen, aber in jedem Augenblick unsere wache Aufmerksamkeit auf unsere Gedanken, unsere Gefühle und unsere Handlungen richten und uns dadurch in der intuitiven Wahrnehmung schulen.


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Bild Eckehard Waldow mit der Jubiläumsausgabe von ‹Vorhang auf›, Foto: Mona-Luisa Völkle

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