Ohne Worte

Nach einem heftigen Streit mit meinem zwölfjährigen Sohn kommt er nach Hause mit einer etwas kitschigen Tasse, die er in einer Verschenkekiste gefunden hat. Sie hat ein rotes Herz, auf blauem Grund gemalt. Er stellt sie einfach nur auf den Tisch, ohne einen Kommentar und verschwindet in sein Zimmer. Ich gehe hinterher, langsam, denn ich bin traurig, unsicher und noch etwas fassungslos. Er liegt auf dem Bett und ich reiche ihm einfach meine Hand, auch ohne Worte. Der Moment unserer Versöhnung dauert nur kurz. Er geschieht still. Er hält auch nicht lange vor. Wir streiten oft, weil wir einfach sehr verschiedene Sprachen sprechen. Manchmal denke ich, wir begegnen uns eigentlich nur wirklich in den Versöhnungen. Das ist jedenfalls der Anteil in uns, auf den wir bauen können. Der Rest ist Reibung, aneinander vorbeiverstehen oder klein beigeben, meist meinerseits, wie mir scheint. Aber zu fühlen, dass unser Wir eine Zukunft hat, ist wie wieder Licht sehen können. Was danach kommt, weiß ich noch nicht, wenngleich es sich warm anfühlt. Bei Unterkühlung hilft auch manchmal ein Tee aus der blau-roten Tasse.


Bild Jasminka Bogdanovic, Fraktal 0825, 2022, Buntstift/Bleistift auf Papier, 17,5 × 23,5 cm

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