Ein Stück der Zeit

Der Theaterregisseur, Bothmer-Gymnast und Sprachgestalter Ofer Sagie inszeniert zum ersten Mal nach 66 Jahren ‹Faust› in Israel.


Wie kam ‹Faust› nach Israel?

Ofer Sagie

‹Faust 1› wurde 1956 zum letzten Mal auf Hebräisch im großen Habima-Theater aufgeführt. Während der Lockdowns begann für mich eine Epoche der künstlerischen Aktionen. Ich habe die künstlerische Arbeit immer fortgesetzt und 2020 zu einem Kunst-Straßenfestival in Tel Aviv aufgerufen. Mein Impuls war es, das Gespräch fortzusetzen. Das war zu der Zeit, als alle Kultur geschlossen wurde. Ich glaube, dass Theater ein Gespräch ist, das man nicht abschaffen darf. Als sich ein sehr bekannter Schauspieler, Doron Tavori, anschloss, kamen immer mehr Kunstschaffende dazu. Wir machten auf einem Platz sechs Wochen lang ‹Instant-Theater›. Im Mai 2021 begann ich, mich neun Monate lang mit der Kürzung von ‹Faust 1› zu beschäftigen. Danach merkten wir als Gruppe, dass es ohne ‹Faust 2› nicht geht. Das, was im Prolog beginnt, muss an ein Ende kommen. So habe ich aus beiden Teilen eine dreistündige Version gemacht – das war sehr, sehr schwierig.

Wo steht eure Arbeit jetzt?

Wir haben den Text im Team weiter bearbeitet. Doron Tavori ist Mephisto. Nachdem wir bereit für eine Premiere und im August zu einem kleinen Festival in Jerusalem eingeladen waren, kamen plötzlich Probleme auf. Das Festival sagte uns ab, weil sie doch nicht das Geld hatten. Die Premiere im Oktober musste auch verschoben werden. Nun hat das Kunstmuseum von Tel Aviv uns eingeladen, auf seiner kleinen Bühne zu spielen. Ich bin jetzt damit beschäftigt, Sponsoring zu finden. Ich bin überzeugt, dass ‹Faust› das richtige Stück für unsere unklare Gegenwart ist. Wir wissen nicht mehr, was wahr oder falsch ist – und genau das kommt in der Begegnung zwischen Faust und Mephisto raus. Wir begegnen in ‹Faust› dem Bösen.

Was ist dein Part in dieser Produktion?

Meine Rollen sind, außer der Textarbeit, mitzuspielen, zu produzieren und eine Art Regie zu führen. Wobei ich glaube, dass durch einen anthroposophischen Impuls sich die Regie auch verwandelt. Die Regie hat nicht jemand, um Anweisungen zu geben, sondern um ein Spiegel für die Spielenden zu sein. Ich sage nie, was ‹zu tun ist›. Theater entsteht nur im Moment und die Spielenden müssen frei sein.


Kontakt ofersagie@gmail.com

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