Königin Elisabeth II. war für ihre Zurückhaltung bekannt. Sie pflegte eine strikte Neutralität. Diese Art von königlicher Hygiene führte dazu, dass sie in der Öffentlichkeit und in der Presse kaum Kritik an ihrer Person erntete. Im Gegensatz dazu bestieg der neue König Charles III. den Thron mit einem Leben voll Engagement. Mit der Thronbesteigung richtete sich das Scheinwerferlicht auf ihn und seine Stellungnahmen zugunsten der biodynamischen Landwirtschaft, der integrativen Medizin und der Homöopathie.
2013 erschien die Reportage ‹Der Bauer und sein Prinz›1, in der der Filmemacher Bertram Verhaag die Farm von Prinz Charles besuchte, die von seinem Farmmanager David Wilson nach den Grundsätzen der biologischen Landwirtschaft bewirtschaftet wird.
Der Prinz als Naturphilosoph
Während der Interviews teilte der zukünftige König seine Weltsicht: «Wir müssen einsehen, dass wir selbst auch ein Teil der Natur sind und nicht getrennt von ihr existieren. Doch viele sind genau in diesem Glauben aufgewachsen. Alles wird rein wissenschaftlich und rational betrachtet, doch dabei vergessen wir, dass wir selbst ein Teil des gesamten Prozesses sind. Wir sind Natur. Innerlich wie äußerlich.» Seine Denkweise, die die spirituelle Verbindung zwischen Natur und Mensch zu erfassen sucht, hat alle Merkmale einer Anthroposophie. «Das Ganze muss als Ganzes betrachtet werden. Das Problem besteht darin, dass wir alles in separaten Abteilungen gegliedert haben, sodass man das einheitliche Bild nicht mehr sehen kann.»
Für ihn geht es nicht nur darum, die landwirtschaftlichen Methoden zu reformieren, sondern auch unsere Art zu denken, zu erkennen, unser Innenleben: «Das Gefühl für das Heilige fehlt. Wir müssen das Heilige wiederfinden. Denn im Endeffekt ist das der einzige Weg, die Zerstörung dieses Planeten zu vermeiden.» Und neben der Anwendung dieser Philosophie in seinem persönlichen Leben und auf seinem eigenen Land setzt er sich auch für eine globalere Reform ein: «Das perverse Subventionssystem auf der ganzen Welt unterstützt die falschen Methoden der Nahrungsherstellung. Das konventionelle System erzeugt Nebenwirkungen, die einfach ignoriert werden und nicht als Kosten miteinbezogen werden […]. Wenn man auch dieses Subventionssystem umdrehen könnte, sodass biologische oder nachhaltige Landwirtschaft billiger wird, was durchaus möglich ist, vor allem für den Konsumenten, dann könnte es teurer werden, Nahrung herzustellen, die der Umwelt und der Gesundheit schadet.» Die Äußerungen des zukünftigen Königs haben also durchaus eine politische Dimension, was man ihm als Vertreter der Krone vorwerfen könnte, aber es ist nicht dieser Punkt, in dem er am meisten angegriffen wird.
Sein Lieblingsfeind
In den letzten beiden Jahrzehnten hatte sich Prinz Charles klar für die Komplementärmedizin und insbesondere für die Homöopathie ausgesprochen. Im Jahr 2019 gab die alte ‹Londoner Fakultät für Homöopathie› beispielsweise den Namen ihres neuen Schirmherrn bekannt: Prinz Charles. Dies brachte ihm erneut Kritik ein, insbesondere von der Good Thinking Society, einer Organisation, die der Bewegung der sogenannten ‹Skeptiker› nahesteht. Doch der Prinz hat auf diesem Gebiet einen ganz besonderen Feind: Edzard Ernst, der weltweit führende Vertreter der Antihomöopathiebewegung. Edzard Ernst, ein deutscher Arzt mit britischer Staatsbürgerschaft, war Professor für Komplementärmedizin an der Universität von Exeter, wo er kritische Analysen alternativer Therapien durchführte.
Edzard Ernst wurde nicht müde, Charles zu kritisieren, sodass die Zeitung ‹Die Zeit› 2011 einen langen Artikel mit dem Titel ‹Edzard gegen Charles› veröffentlichte. Mit der Thronbesteigung seines Lieblingsfeindes gab Edzard Ernst kürzlich mehrere Interviews, deren Zitate über den König die Feindseligkeit von Ernst gut zum Ausdruck bringen: «Was er sich rauspickt, ist alles Quacksalberei» (‹Der Spiegel›), oder: «Charles ist zum Gespött der Wissenschaft geworden» (‹Der Standard›). Ernst ist der Ansicht, dass der König die Öffentlichkeit in die Irre führt, indem er für alternative Therapien wirbt. Er beschuldigt ihn, dubiose pflanzliche Heilmittel ohne wissenschaftliche Grundlage zu verkaufen. In diesem Jahr veröffentlichte er das Buch ‹Charles, The Alternative Prince›2. Der ehemalige Wissenschaftler scheint von dem König besessen zu sein. Eine persönliche Angelegenheit?
Für eine Erweiterung des Wissenschaftsbegriffs
Doch als wäre das alles noch nicht genug, hat sich der König nicht nur für den ökologischen Landbau und die Homöopathie ausgesprochen – er äußerte sich auch öffentlich zu seiner Bewunderung für Rudolf Steiner und die biologisch-dynamische Landwirtschaft. Dies geschah 2017 in einer Rede, die er per Videokonferenz bei der Eröffnung des Kongresses der Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum hielt: «Tatsächlich war Rudolf Steiner einer der ersten Menschen unserer heutigen Zeit, der das Zusammenspiel von Landwirtschaft, Bodenfruchtbarkeit und der Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen deutlich erkannt hatte. Es ist wirklich bemerkenswert, dass so viele der landwirtschaftlichen Prinzipien und Praktiken, die Steiner im Landwirtschaftlichen Kurs 1924 deutlich gemacht hat, bis heute außerordentlich wertvoll sind. Hätten sein visionärer Blick und die Ratschläge, die er damals gab, breite Anerkennung und praktische Anwendung gefunden, hätte vielleicht ein Großteil des Schadens, den die Intensivlandwirtschaft unserem Planeten über lange Zeit zugefügt hat […] vermieden werden können.»
All dies hat ihm heute dazu verholfen, von einigen Zeitungen als «König der Wissenschaftsfeindlichkeit und Freund der Scharlatane» (‹L’Express›) bezeichnet zu werden. Durch seine mutigen Stellungnahmen hat der König von Großbritannien also die gleichen Personengruppen gegen sich aufgebracht, die auch gegen die anthroposophische Bewegung hetzen. Es handelt sich um die ‹Skeptiker› und diejenigen, die mit ihnen die Wissenschaft nur von einem reduktionistisch-materialistischen Standpunkt aus betrachten. Es ist anzunehmen, dass König Charles III. aufgrund seines Status in Zukunft mehr Vorbehalte zeigen wird. Er wird daher sicherlich nicht in der Lage sein, öffentlich zu belegen, dass die konventionelle Wissenschaft durch einen ganzheitlichen, sensiblen, spirituellen Ansatz erweitert werden kann und muss. Diese Aufgabe wird angesichts des wachsenden politischen Einflusses militanter Bewegungen, die sich für einen reduktionistischen, materialistischen und dogmatischen Ansatz in der Wissenschaft einsetzen, immer dringlicher. Eine große Baustelle, zu der die Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in den nächsten Jahren einen wesentlichen Beitrag leisten könnte.
Bild Charles III. ist seit dem 8. September König von Großbritannien. Dieses Foto ist von 2012. Foto: Dan Marsh, CC BY-SA 2.0.
Kompliment an den Autor: Er wirft ein wunderbares Licht auf Charles, der seine Überzeugungen mutig vertreten hat; er belegt das mit starken Zitaten, was den neuen König authentisch macht.
Einziger Kritikpunkt: Der Satz „Durch seine mutigen Stellungnahmen hat der König von Großbritannien also die gleichen Personengruppen gegen sich aufgebracht, die auch gegen die anthroposophische Bewegung hetzen.“ enthält den Begriff „Hetzen“. Das suggeriert beim Leser in dieser Verwendung einen Abwehrreflex der Anthroposophischen Gesellschaft. Das ist legitim. Aber sollte der Autor da das Vokabular der Angreifer verwenden? Oder anders gefragt: Wäre der Beitrag insgesamt ohne diesen Hinweis nicht stärker gewesen?
mit nachdenklichem Gruß
Jürgen Vogt