Buchenwald bei Nacht

Beklommen blickten wir am Abend des 1. September auf die Hochrechnungen. Die AfD hatte bereits 30 Prozent der Wählenden auf ihrer Seite. Dann brachen wir nach Buchenwald auf, acht Kilometer nordöstlich von Weimar. Shuttlebusse transportierten Massen an Schaulustigen im Zehnminutentakt von der Stadt hinauf, die Blutstraße entlang bis zum beleuchteten Glockenturm. Nach der Befreiung des Lagers durch die Amerikaner gab es eine ähnliche Situation, die auch in einem Dokumentarfilm festgehalten wurde. Darin sieht man Weimarer Bürger, die, glücklich über das Kriegsende, in ihren besten Kleidern, nach Buchenwald pilgern und in die Kamera winken. Und die dann sich übergebend, Taschentücher vorm Gesicht, verstört, beklommen, der Kamera ausweichend an den Leichenbergen stehen, die noch nicht beerdigt waren.

Heute wurde der Ort durch audiovisuelle Installationen bespielt. Lichtprojektionen belebten künstlerisch die Geschichte an den Reliefs, die vom Lagerleben erzählen, an den Pylonen der Nationen und am Turm. Dazwischen sanft beleuchtet die drei Massengräber. Unsere vielen Silhouetten wurden Teil der Projektionen. Ein Strom durchfloss die ganze Anlage. Ab und an Handys, Hintergrundbilder vom Hund, von Oma mit Enkelin, vom Sommerurlaub. Noch nie habe ich so viele Menschen, die ich nicht erkannte, an diesem Ort gesehen. Über uns die Sterne im Nachtwind.


Bild ‹Ghoestpoets› Licht- und Klanginstallation von ‹mammasONica› am Mahnmal in Buchenwald, 1.9.2024 Foto: G. Bartel.

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