Ein so offenes Meer

In der Tat, wir Philosophen und ‹freien Geister› fühlen uns bei der Nachricht, dass der ‹alte Gott tot› ist, wie von einer neuen Morgenröte angestrahlt; unser Herz strömt dabei über von Dankbarkeit, Erstaunen, Ahnung, Erwartung – endlich erscheint uns der Horizont wieder frei, gesetzt selbst, dass er nicht hell ist, endlich dürfen unsre Schiffe wieder auslaufen, auf jede Gefahr hin auslaufen, jedes Wagnis des Erkennenden ist wieder erlaubt, das Meer, unser Meer liegt wieder offen da, vielleicht gab es noch niemals ein so ‹offnes Meer›.

Friedrich Nietzsche
Aus: Die fröhliche Wissenschaft. Fünftes Buch, Aphorismus 343, Gesammelte Werke, Kindle.


Eine geistige Forschung, die auf völlig individuellen Erkenntniskräften beruht, geht immer durch den Tod. Der alte Gott stirbt. So öffnet sich wieder das große Meer der Möglichkeiten, auf dem neue Erkenntnisse, neue Lichter erscheinen – eine Weltauferstehung.


Auswahl und Kommentar Louis Defèche
Zeichnung Philipp Tok

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