Gute Gründe

200 000 Unterschriften sammelte die Bürgerinitiative ‹Weil’s hilft› und bewirkte eine Anhörung im Deutschen Bundestag zur Homöopathie. Die sanfte Therapie aus der Erstattung zu streichen, musste der Gesundheitsminister zurückziehen. Die Debatte sei eine Sternstunde gewesen, so Anna-Katharina Dehmelt, Herausgeberin des kleinen Buchs ‹Gute Gründe für Homöopathie›1. Die Größe der mit Homöopathie verbundenen Fragen, so Dehmelt, lasse mit einem Fortgang dieses Kampfes rechnen. Das habe sie motiviert, zehn Beiträge aus ‹Info3› zur Homöopathie und Anthroposophischen Medizin zu einem Buch zusammenzustellen.


Georg Soldner macht den ersten Aufschlag und stellt in zwei Fallbeschreibungen den Titel der Bürgerinitiative ‹Weil’s hilft› unter Beweis. Die zweijährige Maria mit Mittelohrentzündung und der dreijährige Joseph mit Lungenentzündung. In beiden Fällen kann Soldner auf Antibiotika verzichten und mit Wickeln und Globuli die Selbstheilung aktivieren. 95 Prozent aller Kinder mit der schmerzhaften Mittelohrentzündung könne er ohne Antibiotika therapieren. Eine interessante Information von Soldner: Samuel Hahnemann hat neben der Homöopathie auch die individuelle Krankengeschichte in die Medizin eingeführt. Noch ein ‹Wunder› hat Soldner zu bieten: Ein Säugling mit Herzfehler nimmt nach der Operation kein Gewicht zu. Arsen in Hochpotenz C30 lässt den Kleinen zunehmen. Zur Erinnerung: C30 heißt, dreißigmal im Verhältnis 1:100 verdünnen, sodass in der Potenz kein Molekül des giftigen Arsens mehr zu finden ist.

Was wirkt, ist legal

Frank Meyer erinnert in seinem Beitrag daran, dass in der Anthroposophischen Medizin tiefe Potenzen (D1 bis D6) für das rhythmische System, mittlere Potenzen (D10 bis D12) und hohe für das Nerven-Sinnessystem gegeben werden. Dabei hebe die Verdünnung die Natursubstanzen auf eine für den menschlichen Organismus passende Ebene. Interessant: Unterschiedliche Potenzen könnten polare Wirkungen hervorrufen! Meyer klärt auch darüber auf, was es mit Globuli auf sich hat. Auch neu für mich: Der anthroposophische Arzt Heinz Hartmut Vogel schlug mit eigenen Arzneimittelkompositionen die Brücke von Anthroposophischer zu Homöopathischer Medizin, die zum Grundstock der Wala-Präparate gehören. Jens Heisterkamp besuchte den Dekan der Uni Marburg und Leiter der Kommission D des Deutschen Bundestags, Michael Keusgen. Erstaunlich, was der Leiter der Kommission D des Deutschen Bundestags über Homöopathie sagt: «Die zugelassenen Homöopathika und Anthroposophika haben exakt den gleichen Status wie alle anderen zugelassenen Arzneimittel. Das sind richtige Arzneimittel, die eine ausreichend hohe Evidenz haben, wo ich für die Zulassung beispielsweise zur Therapie einer schwerwiegenden Erkrankung mindestens eine klinische Studie dabeihaben muss. Also niemand kann behaupten: Homöopathie, das ist irgendwie Voodoo.» Dass Homöopathie nicht evidenzbasiert sei, sei Unfug, betont Keusgen und ergänzt, dass andere Kulturkreise stolz darauf seien, eine eigene traditionelle Medizin zu haben. Er könne als Fachmann auch nicht verstehen, warum sich Qualitätsmedien der Stimmungsmache gegen Homöopathie anschlössen. Heisterkamp befragt Keusgen zu der üblichen Kritik, dass kein naturwissenschaftlich plausibles Wirkprinzip existiere und deshalb auch keine therapeutische Wirksamkeit bestehen könne. «Kürzer heißt das ja, was nicht sein kann, das nicht sein darf.» Keusgen dazu: Nicht die pharmakologische Wirkung oder ein zellulärer molekularer Mechanismus, sondern die therapeutische Wirksamkeit sei entscheidend. Harald Walach, habilitierter Psychologe, betont, dass für den Wirksamkeitsnachweis in Deutschland nur eine Studie notwendig sei, und nennt als Beispiel das Grippemittel Tamiflu, das für enorme Kosten eingekauft und dann entsorgt wurde. Später kam gerichtlich ans Licht, dass die Pharmaunternehmen negative Studienergebnisse zurückgehalten hatten. Fragt man nun nach dem Wirksamkeitsnachweis von Homöopathika, gilt, wie in der Arzneimittelkommission D des Bundesinstituts für Arznei notiert, dass sie keine Krankheitsindikation, sondern ein Arzneimittelbild hätten. Deshalb ging es bei den Untersuchungen zur Wirksamkeit weniger um die Zulassung als vielmehr um das allgemeine Interesse. Katharina Gaertner, Uni Bern, hat die Zahl der Doktorarbeiten, Konferenzberichte und Masterarbeiten zur Homöopathie gesammelt und kommt auf 636 Studien! Walach erwähnt außerdem die letztjährige Metastudie von Harald Hamre. Fünf Metaanalysen mit ausreichender Datenmenge belegen die Wirksamkeit der Homöopathie. Walach betont auch, dass es in der aktuellen Stimmungslage Studien mit negativem Ergebnis viel leichter hätten, in die peer-reviewte Literatur aufgenommen zu werden. Erfreulich: Wallach will mit Katharina Gaertner und Stefan Baumgartner eine Metaanalyse zu allen Studien publizieren und weitere Studien zusammenfassen, die Homöopathie bei anderen Diagnosen zeigt. Solange, schließt Walach, könne man sich an die bestehenden Studien halten, die schon zeigen, dass Homöopathie weit mehr als Placebo kann.

Keine Natur-, sondern eine Handlungswissenschaft

Renée Herrnkind berichtet von der niederländischen Tierärztin Liesbeth Ellinger. Bei Wehenschwäche, Abstillen oder Durchfall bei neugeborenen Ferkeln arbeite sie erfolgreich mit Homöopathie und könne auch Studien vorweisen. Im Gespräch mit Roland Richter betont der Berliner Arzt Harald Matthes, dass Medizin keine Natur-, sondern eine Handlungswissenschaft sei. Am Beispiel der Psychotherapie bei einer Krebserkrankung zeigt Harald Matthes, dass Heilung auch jenseits der Teilchenkausalität auftrete. Ähnliches zeige die Studie mit US-Studierenden. Ein Teil einer Gruppe sollte täglich meditieren. Ergebnis: Stressgene gingen signifikant zurück. Wie kann, so fragt Matthes, Meditation auf so etwas Stoffliches wie die Gene wirken? 70 Prozent der Bevölkerung wünschen sich integrative Medizin, sagt Matthes. Im letzten Teil des Buchs referiert Anna Katharina Dehmelt die Forschung von Stephan Baumgartner. Der Physiker hat entdeckt, dass homöopathische Mittel vor allem dort wirken, wo ein Prozess aus dem Gleichgewicht geraten ist, und dort förderten sie die Selbstheilung. Rudolf Steiner folgend spricht Baumgartner vom «Entdichten» der Materie. Aus dem Geist habe sie sich verdichtet und beim Potenzieren drehe man diesen Prozess um. Außerdem widmet sich die kleine Schrift den militanten Gruppen gegen Homöopathie, den ‹Skeptikern›. Ganz wie die homöopathischen Mittel mit der Heilungskraft des Organismus arbeiten, rechnen die Herausgeberin Anna-Katharina Dehmelt und ihre Autoren und Autorinnen mit dem unbefangenen Verstand der Leserinnen und Leser. Das zeigt sich an einfacher, klarer Sprache, an der Nähe zu Patient und Patientin und einer Einladung an die Kritisierenden, ins Gespräch über diese geheimnisvolle Medizin zu treten, denn dafür gibt es gute Gründe.


Foto Sofia Lismont

Print Friendly, PDF & Email

Footnotes

  1. Anna-Katharina Dehmelt, Gute Gründe für Homöopathie. Frankfurt 2024.

Letzte Kommentare