Was hat die Herstellung von Waschmitteln mit biodynamischer Landwirtschaft zu tun? Ein Besuch beim größten Biowaschmittelhersteller Sonett.
Der erste Eindruck sagt viel: Die Werkshallen von Sonett zeigen sich erst, als wir mit der Nase darauf stoßen – so gut sind die Gebäude in die Natur im Südschwarzwald eingebettet. Minuten später spiegelt sich dieses Miteinander auch im Gespräch: Geschäftsführerin Beate Oberdorfer führt uns mit ihrer Nachfolgerin Rebecca Kramer über das Gelände. Sobald ich ansetze, eine Frage zu stellen, wird Beate Oberdorfer still und lauscht. Was die Gebäude in der Landschaft sind, das ist sie im Gespräch. Die Gebäude begegnen und spiegeln die Landschaft, die Unternehmensleiterin begegnet mir und ist leichtfüßig im Dialog. Dabei hat sie viel zu erzählen: so von Johannes Schnorr, dem Chemiker vom Institut für Strömungswissenschaften in Herrischried.
Umweltschutzpionier
Bereits in den 60er-Jahren, als niemand von Umweltschutz sprach, entdeckte er, dass Tenside, die waschaktiven Substanzen der Petro-Waschmittel, das Grundwasser belasteten, weil sie nicht abbaufähig waren. Alarmiert entwickelte er ein abbaubares Waschmittelpulver im Baukastensystem: Enthärter für hartes, kalkreiches Wasser, Bleichmittel für helle Textilien. Schnorrs Ziel: ein Waschmittel, das sich auf dem Weg zur Kläranlage abbaut und seine dem Charakter des Wassers widersprechende Kraft verliert – etwas, das Seife leisten kann. «Außerdem sollte man es sparsam verwenden können», beschreibt Beate Oberdorfer Schnorrs Credo, das zu dem von Sonett wurde. 30 Jahre hat sie mit Gerhard Heid die Geschicke des Unternehmens geführt und Sonett auf die große Bühne gehoben. Vermittelt von Albert Fink von der GLS-Gemeinschaftsbank übernahmen sie die Firma, die damals ins Straucheln geraten war, weil flüssiges Waschmittel auf den Markt kam. Niemand wollte mehr Pulver. Den Jahresumsatz von damals erwirtschaften sie heute in zwei Tagen.
Inspirierende biodynamische Präparate
Zwei Dinge trieben Beate Oberdorfer und Gerhard Heid an: das Wasser und die Anthroposophie. Beim Waschen geht es immer um Wasser, wobei ein Rätsel dieses Lebensträgers dem Waschen entgegensteht: dessen Oberflächenspannung, dessen Neigung, Gestalt zu bilden. Hier kommen die waschaktiven Substanzen ins Spiel. Sie nehmen dem Wasser diese ‹Tropfigkeit› und damit etwas vom Innersten des Wassers. Mit anthroposophischem Wissen und Fühlen gehen beide mit dem Wasser in den Dialog – wie die Gebäude in der Landschaft, wie Beate Oberdorfer in der Unterhaltung. Was die Seifen dem Wasser an Lebendigkeit nehmen, das geben sie ihm bei Sonett rhythmisch und substanziell neu hinzu. Dabei haben sich die Verantwortlichen von biodynamischen Präparaten inspirieren lassen. Dort wird der Boden geheilt, hier das Wasser.
Geheimnisvolles Wasser
«Wasser ist lebendig, wenn es sich bewegt», so Beate Oberdorfer, «und Wirbel und Wellen und Mäander sind die charakteristischen Bewegungsformen, damit Wasser sein kann.» Das geschieht durch das Oloid, den von Paul Schatz entwickelten, an eine Acht erinnernden Abrollkörper. Was das Wasser an Natur verliert, gewinnt es an Kultur. Dieses Versprechen ist in einem länglich fensterlosen Raum zu spüren. Was im Tempel das ‹Allerheiligste› ist, das ist hier dieser Mischraum. Dreimal im Jahr wird das Oloid 49 Mal hin- und hergerollt. Dabei strömt das Wasser in all seinen charakteristischen Formen durch den durchsichtigen Oloid-Körper. Weihrauch, Myrrhe, Gold waren die ursprünglichen Substanzen, mit denen sie das Wasser versetzten; Olive, Lorbeer, Rose und Mistel kamen hinzu. Am schönsten sei dabei, so Rebecca Kramer, wenn am Ende der Behälter geöffnet wird und alle «hineinriechen» dürfen. Bilder von Kristallisationen an den Wänden erzählen, worum es geht: dem Wasser geistiges und kosmisches Leben zu verleihen. Alle Produkte von Sonett werden mit dieser Medizin in homöopathischer Dosis versetzt. Davon mögen die wenigsten etwas wissen und doch spüren es vermutlich nicht wenige.
Unverpackt
2019 regten Vertriebspartner von ‹Unverpackt› an, dass die Kanister wiederverwendet werden sollten. Dafür entwickelten sie im Betrieb eine Kanister-Reinigungsmaschine. Die Kanister, bei denen das nicht gelingt, werden geschreddert, um das Plastik zu recyceln. 250 Unverpacktläden liefern die Kanister jetzt zurück, sodass 80 Prozent der Kanister wiederverwendet werden können. Das geschredderte Plastik geht zurück an den Hersteller, der mit einem Anteil von bis zu 50 Prozent aus diesem Kunststoff neue Flaschen und Kanister herstellt. Dann gehen wir durch die Abfüllanlage, ein überraschend kleiner Raum für die monatlich 40 Tonnen Waschmittel, die hier durchgehen.
Intuition und Empathie als Wegweiser
Bei der Führung durch das Unternehmen Sonett spürte ich einen dreifachen Atem: Es gibt den lebendigen Puls von innen und außen, wenn Rebecca Kramer und Beate Oberdorfer begeistert über die Zusammenarbeit mit 34 Betreuten vom Lehenhof erzählen – und ebenso fasziniert den Roboterarm präsentieren, der wie von Zauberhand geführt die Packungen sortiert. Dann ein zweiter Atem: eine Weite im Spiel von Vergangenheit und Zukunft, wenn Rebecca Kramer das Lebenswerk von Beate Oberdorfer und Gerhard Heid schildert, die gespannt lauschen. Schließlich ein dritter Puls: die Harmonie in Gegensätzen. Beate Oberdorfer und Gerhard Heid sitzen mir gegenüber wie Birke und Eiche, Sensibilität neben Tatkraft, Venus neben Mars. In der herausfordernden Corona-Zeit war es Beate Oberdorfers Intuition, die den Weg wies, so Gerhard Heid über seine Kollegin. Es strömt Empathie zwischen beiden, Empathie, die dem Unternehmen seine Seele verleiht – ganz wie die Essenzen im Waschmittel.
Titelbild Beate Oberdorfer, Geschäftsführerin von Sonett (rechts) und ihre Nachfolgerin Rebecca Kramer. Alle Fotos: Wolfgang Held