Was nottut, ist die Hinwendung zur ganzen Erde

Im August dieses Jahres hat der Weltklimarat IPCC den aktuellen Wissensstand zur Klimaveränderung veröffentlicht.1 Der Report hat eine schlechte und eine gute Nachricht: die Erderwärmung ist dramatischer als gedacht, es ist noch nicht zu spät zu handeln.


Mehr als 700 Fachleute aus 90 Ländern haben mehrere 10 000 Fachbeiträge ausgewertet und sind zu den nachfolgend beschriebenen Aussagen gekommen. Diese Aussagen wurden an einer Konferenz den politischen Entscheidungsträgern und -trägerinnen vorgelegt und diese konnten keine Einwände oder Streichungen machen, weil die Beschreibung der Sachlage wissenschaftlich so eindeutig abgesichert war.

Im Unterschied zum fünften IPCC-Bericht2 hat sich die Qualität der Klimabeobachtungen verbessert, dies vor allem im Bereich des Zusammenwirkens der Ozeane mit der Atmosphäre. Wenn man die Kernaussagen des aktuellen Berichtes mit dem Bericht von 2013 vergleicht, erkennt man grundsätzlich eine Bestätigung der damaligen Aussagen. Wir wissen also schon lange um die Bedrohung für die Erde und das Leben auf dem Planeten.

Es steht immer zweifelsfreier fest, dass die Erwärmung und damit das Instabilwerden des aus den Rhythmen gefallenen Wettergeschehens in Zusammenhang steht mit dem Abgeben von Treibhausgasen durch menschliche Aktivitäten. Beispielsweise ist die aktuelle CO2-Konzentration auf einen Wert angestiegen, welcher das letzte Mal vor 2 Millionen Jahren geherrscht hat.

Die globale Mitteltemperatur ist seit Beginn der Industrialisierung um 1,1 Grad gestiegen. Die Erhöhung ist allerdings ungleich verteilt. Die Landmassen wurden um 1,6 Grad erwärmt und die langsam reagierenden Ozeane um 0,9 Grad. Von besonderer Bedeutung ist der abnorme Temperaturanstieg um etwa 3 Grad in den höheren Breiten der Nordhalbkugel. Das Ökosystem der arktischen Gewässer und die Eisverhältnisse in Grönland sowie im arktischen Polarmeer sind so stark ins Ungleichgewicht geraten, dass das für die ganze Erde eine Bedrohung geworden ist.

Der neue Klimabericht beschreibt die Zusammenhänge zwischen dem Häufigerwerden der Wetterextreme wie Intensität von Hitzewellen, Starkniederschläge oder Dauer von Trockenphasen mit der Erwärmung der Erde. Der in diesem Jahrhundert eingetretene Klimabruch3 wird jetzt schon erlebbar für das Leben der Erde.

Das Verhältnis der natürlichen Klimaimpulse (Vulkanismus, Sonnenrhythmen, ozeanische Strömungsrhythmen) zu den anthropogenen Einflüssen kann immer genauer dargestellt werden. So hätten die natürlichen Impulse in den letzten 170 Jahren allein zu einem Verbleiben der mittleren Temperatur geführt. Als Treiber der Erwärmung der letzten 170 Jahre kommen also weitgehend nur noch die menschengemachten Einflüsse infrage. An erster Stelle sind es die Freisetzungen von CO2, Methan und Lachgas. Abkühlenden Effekt haben die abgegebenen Sulfatpartikel. Dank verbesserten Motoren und Verbrennungsanlagen ist aber diese Abgabe laufend zurückgegangen.

Die Rhythmen, die das Klima früher impulsierten, sind gebrochen, wir haben es mit einem Klimabruch und nicht mit einem Wandel des Klimas zu tun.

Stets größere Mengen von CO2 werden von den Ozeanen langfristig aufgenommen. Das hat wegen der damit einhergehenden Versauerung des Wassers gravierende Folgen für die Lebensbedingungen in den Ozeanen. Wenn sich die Lebensverhältnisse für das Photosynthese bildende Plankton verschlechtern, dann kann weniger CO2 in Biomasse umgewandelt werden. An diesem Beispiel sieht man, wie die Wechselwirkungen mit den Lebensvorgängen entscheidend sind und nicht die reinen Zahlenangaben von freigesetzten Partikeln. Ebenso bedeutend ist die Geschwindigkeit der Veränderungen. Der IPCC-Bericht beschreibt das so: «Das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem und der gegenwärtige Zustand vieler Aspekte des Klimasystems sind seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden beispielslos.» Die Rhythmen, welche das Klima früher impulsierten, sind gebrochen, wir haben es mit einem Klimabruch und nicht mit einem Wandel des Klimas zu tun.4

Die Menschen in den hochzivilisierten Ländern sind von den drohenden Folgen bisher weitgehend verschont geblieben. Es trifft zuerst diejenigen Regionen, wo die Lebensbedingungen wegen Armut, Wassermangel, Bildungsdefiziten und Misswirtschaft schwierig sind. Ein aktuelles Beispiel ist Afghanistan, die Region, welche vor Tausenden von Jahren die Wiege der Landwirtschaft war. Ebenso gefährdet ist die Sahelzone, welche auf die sensiblen Rhythmen des Wettergeschehens angewiesen ist.

Was nottut, ist die Hinwendung zur ganzen Erde, zur ganzen Menschheit. Das größte Interesse sollte auf die Kräfte gerichtet werden, welche das Leben hervorbringen und gestalten. Mit diesem Blick auf das Ganze wird es leichter, das eigene Verhalten so radikal wie möglich zu ändern. Nicht aus Angst um die eigene Zukunft, sondern aus Einsicht in die Notwendigkeit kann der Bruch geheilt werden.


Foto: Alexis Antoine

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Footnotes

  1. Sechster IPCC-Sachstandsbericht, Beitrag von der Arbeitsgruppe I: Naturwissenschaftliche Grundlagen.
  2. Fünfter IPCC-Sachstandsbericht
  3. Hans-Ulrich Schmutz, ‹Goetheanum› 36/2019
  4. Ibd.

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