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Medienmacht, eine Grenzerfahrung

Die Macht der Medien kann erdrückend sein. Ich warte im Alten Kino Wiens auf den Beginn meines Vortrags. Ein dafür vorgesehenes Handmikrofon habe ich, nach Rücksprache mit der Veranstalterin, dankend abgelehnt.


Kurz vor Vortragsbeginn eilt die technische Leiterin zu mir, nachdem sie erfahren hat, dass ich auf ein Mikrofon verzichten will. Ihr Auftrag sei es, sagt sie, die Veranstaltung nicht nur technisch auszustatten, sondern auch aufzuzeichnen; das sei mit dem Förderer der Veranstaltung, der ihr Auftraggeber sei, so vereinbart. Und sie habe auch nur dieses Handmikrofon. Um die Veranstalterin ihrem Förderer und die technische Leiterin ihrem Auftraggeber gegenüber nicht in Verlegenheit zu bringen, willige ich Sekunden vor Vortragsbeginn ein, doch mit Handmikrofon zu sprechen. Welch eine Katastrophe! Ich spreche nicht mit dem Publikum, sondern mit dem Mikrofon. Meine Hände sind gefesselt und mein Kopf ist damit beschäftigt, meine Hände zu beherrschen, die das Mikrofon andauernd wegschleudern wollen. Selten habe ich so stockend, so monoton, so gehemmt gesprochen. Ich kenne die erdrückende Macht der Medien auch aus anderen Situationen. Wie oft hatte ich schon den Eindruck, mit dem Telefon, nicht mit meinem Gesprächspartner zu telefonieren; den Bildschirm, nicht mein Gegenüber zu berühren. Und, ja: Auch Menschen sind Medien. Wie oft hatte ich schon den Eindruck, nur den Pupillen, nicht dem Blick, nur den Gliedern, nicht dem Leib, nur der Maske, nicht dem Wesen zu begegnen. Ich erfahre die erdrückende Macht der Medien immer dann, wenn es mir nicht gelingt, mit der Medialität zu spielen; ihre Macht zu brechen, indem ich sie als Bedingung der Möglichkeit der Offenbarung des Wesentlichen begreife – und damit selbst als wesentlich. Gelingt mir dies, so adle ich sie, befreie mich selbst und begegne anderen.


Foto: Matthias Wagner

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