Hoffnung ist zutiefst verbunden mit Weihnachten – hat doch, so Rudolf Steiner im 38. Wochenspruch, das «heilige Weltenwort gezeugt der Hoffnung Himmelsfrucht» – Jesu Geburt als Tor für Christus und seine Aufgabe in der Welt. In den 52 Wochensprüchen taucht das Wort Hoffnung noch zweimal auf: Ein paar Wochen vorher im Oktober, wo zunächst in der 28. Woche die Rede davon ist, dass die Seelensonnenmacht so manchem Wunsch Erfüllung verleiht, dem «Hoffnung schon die Schwingen lähmte»; und eine Woche später bildet sich mir aus «Weltengeistes Kräftequell» durch das Entfachen meines «Denkens Leuchten» mein «Sommererbe», meine «Herbstesruhe und auch Winterhoffnung». – Eine Bewegung also vom Überwinden einer hoffnungslos gewordenen Hoffnung, an der einzig die Furcht – und sei es die vor Veränderung – festhält, über einen Ausblick auf ein erwartetes Geschehen im Winter zur Zeugung des Höchsten, was Hoffnung vermag.
Schon diese drei Bilder machen deutlich: Hoffnung oszilliert. Sie kann der letzte Strohhalm sein – dies nur für ganz kurze Zeit –, sie kann beflügeln oder lähmen – manchmal beides gleichzeitig –, sich erfüllen oder eben nicht oder nur zum Teil. Ernst Blochs ‹Prinzip Hoffnung›, mit dem er zwischen 1938 und 1947 in drei Bänden als Philosophie der Konkreten Utopie einen Begriffskosmos geschaffen hat, ist da nur ein prominentes Beispiel dafür, wie weiträumig und vielschichtig Hoffnung als Seelentätigkeit oder -befindlichkeit ist.
Hoffnung bewegt sich zwischen innerer Aktivität und Passivität – aber die beiden Pole beschreiben letztlich auch die Grenzen, wo Hoffnung nicht mehr leben kann. Ich kann in Hoffnung nicht investieren: Ich kann nicht so und so viel Engagement in etwas, das ich mir erhoffe, hineingeben, um abzuschätzen, wie viel ich dann zurückbekomme oder wie wahrscheinlich sich das Erwünschte dann ereignet. Hoffnung ist nicht berechenbar. Und Hoffnung erlahmt oder überdreht und verliert den Boden, wenn sie sich nur im Wünschbaren bewegt. Wenn ich nicht beteiligt bin an dem, was ich erhoffe, kann sich darin Gift entfalten. Etwa wenn ich auf eine Veränderung oder ein Wunder bei anderen hoffe und mich als Opfer verstehe. Dabei übersehe ich, dass ich mich selbst in die Opferhaltung begeben habe und dadurch in Gefahr stehe, mich nicht nur dem zu entfremden, das ich nicht verändern kann, sondern gleichzeitig dem eigenen Umfeld und vor allem mir selbst.
Es geht um einen alchemistischen Prozess. Mit Weihnachten künden sich Christus und damit Erlösung an; indem wir dies miterleben, machen wir uns in der Seele, im eigenen Wesen, den Gottesgrund, die Verbundenheit mit Christus erlebbar und stärken sie. Es ist eine Art Schmelztiegel: Wir geben uns in diesen Prozess der Zeugung der «Hoffnung Himmelsfrucht» durch das «heilige Weltenwort» hinein und werden Teil davon.
Denn dadurch bekommt die Hoffnung Kraft, ohne dass sie formulieren muss, wie die Dinge sich zu entwickeln haben. Ihre Verbindung mit Weihnachten ist nämlich nicht zufällig. Liebe und Hoffnung sind nahe Verwandte; beide gedeihen nur bedingungslos. Jede Absicherung, jede Zielgerichtetheit, jeder Eigennutz bringt Gift in diesen Verwandlungsprozess – alles Haltungen, die zumindest Ausgleich suchen werden. Dies bedeutet: Ich muss mein Interesse an der Verwandlung selbst wecken, offen sein für Entwicklungen, die ich nicht erwarte, vielleicht nicht einmal wünsche.
Und da im Angesicht der vielen globalen Krisen nur Hoffnung bleibt, bin ich aufgerufen, nicht wegzuschauen, dabeizubleiben und, da ich äußerlich kaum tätig werden kann, dafür umso mehr innerlich präsent zu bleiben – auch für die Menschen, die in diesen Krisensituationen stürzen, auf welcher Ebene auch immer. Und das muss nicht heißen, passiv zu sein: Ich kann Teil des Prozesses werden, indem ich darauf achte, dass ich mich nicht beteilige am Urteilen, Aburteilen, Vermuten und Spekulieren – da ich die Zusammenhänge kaum wirklich verstehen und durchdringen kann. Aktives Schweigen weitet und öffnet den geistigen Raum, bildet Boden über einen selbst hinaus für Fragen, die weiterführen können.
Denn Hoffnung ist zutiefst darin begründet, dass die Brücke, die Verbindung zwischen physischer und geistiger Welt, der Mensch selbst ist. Und diese Potenz steckt in jedem Menschen, unabhängig davon, ob ich ihn mag oder wie sehr mich sein Handeln erschreckt.
Illustration Gilda Bartel