Die schönen Wunder

Die schönen Wunder aus den sieben Reichen,
Die bald Zitronenfalter, groß an Stielen,
Bald Zwergflamingos, die in Büsche fielen,
Bald Muscheln sind aus zauberstillen Teichen,

O meine Rosen. Herzen. Mögt ihr bleichen,
Erschlafft, erschöpft von weißen Sonnenspielen,
Verzehrt vom Überschwang, dem Allzuvielen;
Tragt singend euch zu Grabe, süße Leichen!

Ich will euch doch vom lieben Zweig nicht trennen,
Euch nicht im engen, lauen Glasem wissen,
Die kurze Spanne Blühn euch kunstreich dehnen.

O gut: an unermessnem Glanz verbrennen,
Statt, von der heißen Erde fortgerissen,
Ein langes schales Leben hinzusehen.

Gertrud Kolmar
Aus: Gedichte. München 2020, S. 73.


Schönheit im Überschwang zeugt bereits von einem Verbrennungsprozess, dem das Verblühen, das Verblassen und das Vergehen folgt.


Auswahl und Kommentar von Johanna Lamprecht
Zeichnung von Philipp Tok

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